Der Gleitschirm muss nach 2 Jahren oder einer bestimmten Anzahl von Flugstunden zum Check. Welche Schritte hierbei durchzuführen sind, welche Dinge dabei besonders zu beachten sind, Tipps und Tricks, wie man seinen Gleitschirm pfleglich behandelt, habe ich mir von Michaela Michi Brandstätter, Inhaberin des Checkbetriebs „Die Checkerei“, erklären lassen.
Michi kann hierbei auf eine 10-jährige Tätigkeit bei der Paraclinic zurückblicken. Seit ca. zweieinhalb Jahren hat sie ihren eigenen Checkbetrieb, die Checkerei. Sie bietet jedem an, beim Check anwesend zu sein und detaillierte Auskünfte zum Check zu geben. Die Gelegenheit habe ich beim Schopfe gepackt und habe all ihre Erfahrung genutzt und abseits des Checks zusätzliche Fragen gestellt. Die folgende Reihenfolge der Erläuterungen entspricht nicht unbedingt der Reihenfolge des Checks.
Identifizierung des Fluggerätes
Der Anfang eines jeden Checks ist die Aufnahme der Daten des Gleitschirms wie Typ, Seriennummer und Baujahr.
Kontrolle der Reißfestigkeit des Tuches

Porositätsmessungen werden normalerweise an fünf Punkten an der Eintrittskante gemäß den meisten Herstellervorgaben vorgenommen. Bei einem Schirm im sehr guten Zustand misst Michi nur einmal in der Mitte. Bei Bedenken zum Zustand des Schirms wird an mehreren Punkten gemessen.
Die Messung wird immer bis zum Ende durchgeführt. Somit besteht die Möglichkeit, beim nächsten Check einen Vergleich zu ziehen. Ein Vergleich zum letzten Check wird nicht grundsätzlich durchgeführt, sondern nur in besonderen Fällen, z.B. bei einem Problem der Beschichtung. Gemäß den Vorgaben mancher Hersteller muss die Messung nicht zu Ende durchgeführt werden, sondern kann beim Erreichen eines bestimmten Werts abgebrochen werden.
In der Regel wird nur am Obersegel gemessen. Bei Bedenken zum Zustand des Untersegels wird auch an diesem gemessen.
Der Schirm nutzt sich in der Mitte am meisten ab. Erfahrungsgemäß sind in der Mitte die schlechteren Tuchwerte, zu den Flügelenden hin sind die Werte in der Regel besser. Die Ursachen sind die höhere Belastung in Schirmmitte und die höhere Reibung zum Boden.
Die meisten Hersteller stellen Checkanweisungen zum Download zur Verfügung, einige Hersteller müssen angefragt werden.

Da die Porositätsmessung einwandfreie Werte liefert und der Gesamteindruck des Schirms ebenfalls ausgezeichnet ist, verzichtet Michi auf den Reisstest mit dem Bettsometer. Im Foto demonstriert sie mit Tuchresten, wie der Reisstest normalerweise durchgeführt wird.
Sichtkontrolle der Kappe

Die Kontrolle der Eintrittskante wird, wie im Bild gezeigt, durch Spannen der Kante und durch stückweise in Ansichtnahme durchgeführt. Es passiert oft, dass der Schirm auf die Nase fällt. Anschließendes Schleifen auf dem Boden führt zu Beschädigungen an der Eintrittskante.
Michi macht folgende zwei Beobachtungen, die Schäden am Schirm hervorrufen können:
Piloten machen nach der Landung eine Rosette des Schirms, legen diesen über die Schulter und gehen zum Abbauplatz. Dabei wird der Schirm oft über den Boden geschliffen.
Der Schirm wird auf einem geschotterten oder asphaltierten Platz ausgebreitet und zum Einpacken über diesen Belag gezogen. Das belastet das Material extrem.

Mit sehr langen Packsäcken wird die Eintrittskante bis auf die mittlere Zelle verschlossen. Danach wird mithilfe eines Gebläses der Schirm durch die mittlere Zelle aufgeblasen. Die Methode geben nicht alle Hersteller vor, aber hiermit ist es einfach festzustellen, ob die inneren Profilrippen und Zugbänder einen Schaden haben. Dies würde sich durch eine Beule deutlich bemerkbar machen.
Die Methode hat Vorteile im Vergleich zum einfachen Aufhängen des Schirms, da bei der Vielzahl der Profilrippen und Zugbänder, eine Überprüfung kaum möglich wäre. Bei Schäden am Ober- oder Untersegel sind diese leicht durch austretende Luft erkennbar.
Mögliche Ursachen innerer Schäden sind:
- Nach der Landung fällt der Schirm auf die Eintrittskante. Der hohe Druck, der dabei entsteht, kann die Profilrippen und Zugbänder zum Reißen bringen.
- Nach einer Wasserlandung werden die Schirme oft an der Eintrittskante aus dem Wasser gezogen. Die eindeutig bessere Methode ist, den Schirm an der Hinterkante zu ziehen, damit das Wasser an der Eintrittskante austreten kann und die Belastungen des Stoffes minimiert werden.
Auf meine Frage, ob bestimmte Farben einem schnelleren Alterungsprozess unterliegen, kann Michi aus Erfahrung heraus nicht bestätigen, dass eine bestimmte Farbe schneller altert oder eben nicht.
Die Lagerung des Schirms kann zwar im Innenpacksack erfolgen, sollte aber so erfolgen, dass der Schirm austrocknen kann. Hitze oder Kälte (weil z.B. im Auto gelagert) reduzieren die Lebensdauer des Stoffes ebenfalls.
Sicht- und Tastkontrolle der Leinen

Optische und haptische Kontrolle der Fangleinen, ob eine defekt oder aufgeraut ist. Michi fand eine beschädigte A-Leine, die sie austauschte. Mit dieser Leine wurde anschließend ein Leinenlasttest durchgeführt. Details siehe weiter unten.
Sichtkontrolle und Überprüfung aller Bauteile


Sichtkontrolle der Tragegurte, ob alle Fangleinen an den Leinenschlössern richtig eingehängt sind. Michi bekommt immer wieder Schirme zum Check, an denen die Fangleinen nicht korrekt eingehängt sind. Oft passiert das nach einer Baumlandung, mit anschließender Öffnung der Leinenschlösser und dem falschen Einhängen der Leinen.
Wie im zweiten Foto zu erkennen ist, hängt das Gurtband leicht durch (zwischen Rolle und der Hand). Das ist durch die Schrumpfung der Dyneemaleine für die B-Leinen-Aufhängung verursacht, stellt aber kein Sicherheitsproblem dar.
Rollen für die Bremsleinen hält Michi für die bessere Lösung, da die sogenannten Fitschenringe durch kaum sichtbare Beschädigungen die Bremsleinen aufreiben können.
Michis Tipps:
- Vorab Fotos machen, auf denen zu sehen ist, welche Loops gemacht wurden. Die helfen bei dem anschließenden korrekten Einhängen inklusive der passenden Anzahl und Art der Loops.
- Für den Checker ist es hilfreich, die Art des Vorfalls (z.B. Baumlandung) zu wissen, sodass dieser ein Augenmerk auf die möglichen Schäden werfen kann.
Mögliche Schäden an den Tragegurten:
- Diese werden oft beim Rückwärts-Groundhandeln, wenn diese überkreuz liegen, oder bei einem Twist durch Scheuern entweder die Tragegurte oder die Leinen beschädigt.
- Weitere mögliche Beschädigungen können an dem Durchläufer der B-Ebene an den Dyneemaleinen oder an den Rollen der Bremsleinenführung auftreten.
Leinenlasttest




Da der Gesamtzustand des Schirms augenscheinlich einwandfrei ist, würde Michi auf einen Leinenlasttest verzichten. Bei der optischen Kontrolle hat sie jedoch einen Schaden an einer A-Leine festgestellt und diesen nutzt sie, um den Leinenlasttest durchzuführen. Tatsächlich reißt die Leine an der zuvor festgestellten Stelle bei 108 kg.
Da die Fangleinen aus Aramid bestehen, die bekanntlich sehr längenstabil sind, fertigt sie die neue Leine in genau der gleichen Länge. Die Trimmung kann nach ein paar Flugstunden nach der unten vorgestellten Methode selbst überprüft werden, aber es ist davon auszugehen, dass die Länge der Fangleine stabil bleibt.
Michi führt den Leinenlasttest nur dann aus, wenn der Schirm schon etwas älter ist oder sie eine begründete Annahme hat, dass bei den Leinen ein Problem vorliegen könnte. Einen grundsätzlichen Leinenlasttest und damit Austausch von Leinen gemäß Herstellervorgabe hält sie für falsch, da das nach einiger Zeit zu Problemen in der Trimmung führen kann.
Die Herstellervorgaben sind sehr unterschiedlich. Phi oder Nova geben zum Beispiel vor, bei guten Tuchwerten von über 200 Sekunden JDC muss kein Leinenlasttest durchgeführt werden.
Notfall-Reparatursets, die kommerziell angeboten werden, hält Michi für sinnvoll. Die funktionieren aber nur bei unumantelten Leinen. Grundsätzlich sind die Stamm- oder Stammleinen am Startplatz auch von dem Nichtprofi reparierbar, um den Flugtag oder Urlaub zu retten. Auch ein Tuch-Reparaturset sollte immer mit dabei sein, insbesondere an steinigen Startplätzen.
Leinenvermessung und Trimmung



Die Leinenvermessung wird mit einem Lasermessgerät durchgeführt, ganz ähnlich wie ich schon im Beitrag zur Leinenvermessung mit we-measure beschrieben habe. Die gemessenen Werte werden via Bluetooth in eine Excel-Datei übertragen. Wichtig ist es, auch die Tragegurte mitzuvermessen, da auch diese Längenänderungen, je nach Bauart, aufweisen können.

Der Leinenplan des Iota DLS. Hierbei entsprechen die Leinennummer der Galerieleinen (1A1, 1A2 usw.) der Zeilennummer in der Excel-Datei.

Hier unterscheidet sich die Leinenvermessung von Michi von vielen anderen Checkbetrieben, die nur ein Protokoll nach der Trimmung mitliefern. Durch das Protokoll vor und nach der Messung ist ein Vergleich der Trimmung möglich.
Gegebenenfalls muss ein Offset für die Messung eingestellt werden, da manche Hersteller die Daten der Leinenlänge inklusive und manche Hersteller exklusive der Tragegurte zur Verfügung stellen.


Wie aus der Messung zu erkennen ist und was für die Bremsleinen typisch ist, haben diese sich verkürzt und sind zudem asymmetrisch. Die Bremsleinen bestehen aus Dyneema und werden wenig im Flug belastet, eine Kombination, die die Bremsleinen schrumpfen lässt. Michi empfiehlt den Palstek an den Griffen, da diese immer manuell leicht zu öffnen sind und sich dennoch nicht von allein öffnen. Dyneema wird für die Bremsleinen eingesetzt, da diese durch die Rollen geführt werden und dementsprechend knickunempfindlich sein müssen.
Michi führt einen einfachen Symmetriecheck durch, indem sie die Bremsgriffe in die Halterung einführt und gleichmäßig gerade zieht. Die Knoten der Bremsleinen sollten bei Symmetrie nebeneinander sein (siehe zweites Foto oben). Der Symmetriecheck funktioniert auch mit allen anderen Fangleinen der gleichen Ebene und Leinennummer.


Zwar gibt sich Michi mit der Leinenvermessung schon zufrieden, jedoch sieht sie bei der Stammleine 3A2 Optimierungspotential. Grundsätzlich versucht sie, die zukünftige Längenveränderung der Leinen bei der Trimmung mit zu berücksichtigen. Die Leinen der hinteren Ebenen haben die Tendenz zu schrumpfen, da diese weniger im Flug belastet werden. Im Gegensatz zu den Leinen der A-Ebene, die wegen höherer Belastung die Tendenz haben, sich zu verlängern.
Da die Leine 3A2 rechte Seite ungefähr 1 cm zu lang ist und da wegen der höheren Last der A-Ebene eine weitere Längung zu erwarten ist, wird diese mit einem Doppelloop am Leinenschloss um 1 cm gekürzt (siehe Foto oben rechts).
Die Leine 3A2, linke Seite, soll um 5 mm gekürzt werden. Das kann dadurch erreicht werden, dass diese Leine über die Leine 3A1 gelegt wird. Es sind diese Erfahrungswerte, welcher Loop verkürzt die Leine um welchen Betrag, auf die Michi besonders hinweist, die einen erfahrenen Checker ausmachen.

Michi wiederholt die Messung nach der Trimmung nicht, da sie über entsprechende Erfahrung verfügt und weiß, welcher Loop die Leinen um den gewünschten Betrag verkürzt. Bei einer Wiederholung der Messung würden zudem wegen der wiederholten Belastung mit 5 kg größere Längen gemessen werden.
Da zur Trimmung die Leinenschlösser geöffnet wurden, macht sie zum Abschluss immer eine Kontrolle, ob die Leinen korrekt in den Leinenschlösser eingehängt wurden.
Groben Schmutz entfernen


Die Öffnung der hinteren Enden, die viele Hersteller vorsehen, um den Schmutz zu entfernen, bringt in der Praxis nichts, da der Dreck sich in verschiedenen Zellen verfängt und nicht nur in der äußeren Zelle. Der Dreck lässt sich am besten entfernen, indem man den Gleitschirm kopfüber aufhängt und den vorhandenen Schmutz aussaugt.
Michis Tipps:
- Die Eintrittskante nach außen stülpen, so lässt sich der festsitzende Dreck gut entfernen.
- Schmutz durch Kuhfladen nur mit reinem Wasser entfernen, Reinigungsmittel sollten nicht verwendet werden. Gegebenenfalls Verfärbungen des Stoffes hinnehmen.
- Gröberer Schmutz sollte zeitnah entfernt werden, speziell nach dem Fliegen in besonderen Fluggebieten, wie z.B. Algodonales.
Checkstempel
Fazit
Ich kann jedem empfehlen, seinen Schirm in Michis erfahrenen Händen zum Check zu geben:
- Leinen werden nur bei begründetem Verdacht einem Leinenlasttest unterzogen.
- Eine Prüfung der Reisfestigkeit mit dem Bettsometer wird nur bei einem begründeten Verdacht durchgeführt. Das schont natürlich den Stoff.
- Ein ausführliches Protokoll der Leinenvermessung im angelieferten Zustand und nach der Trimmung wird mitgeliefert.
- Schlussendlich gibt der große Erfahrungsschatz, über den Michi verfügt, einem die Sicherheit, dass ein guter Check durchgeführt wurde.
Das Angebot von Michi beim Testen anwesend zu sein, um mehr über die Hintergründe des Checks zu erfahren, kann ich ebenfalls nur empfehlen. Ich habe jede Menge Neues mitgenommen und werde ein größeres Augenmerk auf den Zustand meines Schirms haben und diesen regelmäßig selbst überprüfen.