Dass Freileitungen, für uns Gleitschirmpiloten besondere Gefahren in sich bergen, hatte ich schon in einem Beitrag vor drei Jahren erläutert. In diesem Beitrag möchte ich im Detail auf die Konstruktion und den Verlauf von Freileitungen eingehen, sodass du in der Lage bist, diese aus der Luft zu erkennen und schon vor dem Flug in deine…
In Deutschland und, soweit mir bekannt ist, in allen Ländern Europas gibt es Freileitungen über alle Spannungsebenen hinweg, das sind die Ebenen Höchst-, Hoch-, Mittel-, und Niederspannung. Der Aufbau der Masten und der Seile selbst unterscheidet sich abhängig von der Spannung und der zu übertragenden Leistung erheblich. Auch hat jedes Land und jeder Energierversorger seine eigenen Standards, nach denen sich die Konstruktion richtet.
Konstruktion von Freileitungen
Auch wenn das Erkennen von den Seilen in der Luft nicht immer einfach ist, so sind die Freileitungsmasten doch recht einfach zu erkennen. Sobald Masten erkannt wurden, ist davon auszugehen, dass diese durch Seile miteinander verbunden sind. Neue Freileitungen mit neu gezogenen Seilen sind leichter zu erkennen, da die Seile noch silbrig glänzen. Ab einem gewissen Alter der Seile laufen diese schwarz an und sind somit schwerer vor dunklem Hintergrund zu erkennen. Wenn man der Sonne entgegenfliegt, verhält es sich genau andersherum: Hier sind neue Seile schwerer zu erkennen.
Freileitungen sind grundsätzlich vorwiegend im ländlichen Raum anzutreffen, im städtischen Raum, zumindest in Nordeuropa, werden generell nur Erdkabel eingesetzt. Freileitungen werden oft in gerader Linie verlegt. Das gilt auch für die Alpen, wo sich die Freileitungen quer über die Berge ihren Bann ziehen. Es gibt auch Abzweigungen von Freileitungen, oder sie können unvermittelt die Richtung ändern. Die Masten sind in der Regel in gleichen Abständen aufgestellt, können aber bei Talquerung eine erhebliche Distanz überbrücken. Alpentäler können mit Freileitungen regelrecht zugebaut sein, abschreckendes Beispiel ist das Zillertal, vorwiegend rund um Mayrhofen. In der Nähe von Umspannwerken, Kraftwerken und Pumpspeicherkraftwerken ist mit einer erhöhten Anzahl von Freileitungen zu rechnen. Vor allem in südlichen Ländern ist mit vielen Freileitungen in niedriger Höhe zu rechnen.
Anhand der Länge der Isolatoren kann man die Spannung, die an der Freileitung anliegt, abschätzen. Je nach Spannung weisen die Seile selbst und die dazugehörigen Masten unterschiedliche Konstruktionen auf, die im Folgenden aufgelistet sind.

In der Regel haben Freileitungen in der Höchstspannung (380 und 220 kV) Konstruktionen, die der Abbildung ähneln. Die Isolatoren haben Längen von 2 bis 3 m. Die Abstände der Seile betragen um die 5 m. Die Abstände der Seile können also mit einem Gleitschirm überbrückt werden. Oft, aber nicht immer, ist der Abstand zum Boden zu groß, um den Abstand des unteren Seils zum Boden zu überbrücken. Selbst wenn der Bodenabstand am Masten zu groß zum Überbrücken ist, kann der Seildurchhang in der Mitte zwischen den Masten so klein sein, dass dieser mit einem Gleitschirm überbrückt werden kann. Die Gefahr eines Spannungsüberschlags ist hier noch nicht eingerechnet.
Für den Blitzschutz wird auf der Mastspitze ein Erdungsseil mitgeführt. Die Masten sind meistens in Europa eine Stahlkonstruktion, können aber in bestimmten Ländern auch aus Beton sein.

Die Konstruktion von Hochspannungsfreileitungen (110 kV) ist der Höchstspannung ähnlich, jedoch beträgt die Länge der Isolatoren ungefähr 1 m. Sonstige Aussagen von Höchstspannungsfreileitungen gelten auch für die Hochspannung.

In der Abbildung ist eine typische Mittelspannungsfreileitung (10 oder 20 kV) zu sehen, hier mit einer Überführung auf ein Kabel. Die Länge der Isolatoren beträgt ungefähr 0,25 m.
Die Freileitungen sind oft an Gleitschirmlandeplätzen anzutreffen. Die Freileitung läuft hierbei so niedrig, dass diese mit einem Gleitschirm zum Boden überbrückt werden kann, mit den fatalen Folgen für Gleitschirm und Piloten.
Die Masten können aus Stahl, Beton oder Holz sein, ein Erdungsseil ist nicht vorhanden. Die Abstände der Masten sind geringer im Vergleich zu den höheren Spannungen.

Ähnliches wie für Mittelspannungsfreileitungen gilt auch für die Oberleitung von Fernbahnen (15 kV). Hier ist jedoch zu beachten, dass die Gleise als Rückleiter genutzt werden und somit das Gefahrenpotenzial im Vergleich zu anderen Freileitungen größer ist. Ein Vorteil ist, dass Oberleitungen durch den Gleiskörper wesentlich besser erkannt werden können.
Für die Niederspannungsfreileitung liegt leider kein Foto vor. Die sind immer seltener anzutreffen, da sie durch Luft- oder Erdkabel ersetzt werden.
Vor dem Flug
Um von vornherein die Wahrscheinlichkeit einer Kollision mit einer Freileitung zu vermindern, ist es ratsam, sich über mögliche Freileitungen auf der gewünschten Flugroute zu informieren. Hier bestehen u.a. folgende Möglichkeiten:

In den Karten von OpenStreetMap sind Freileitungen eingezeichnet, ich benutze für die Flugplanung die OpenTopoMap. In diesem Beispiel ist der oben schon angesprochene Pilotengrill im Drautal zu sehen. Die Quadrate stellen die Masten dar, so lässt sich die Spannung abschätzen: Je größer der Abstand der Masten, umso größer die Spannung.

Auf Google Earth sind Freileitungen nur schwer zu erkennen. Im Beispiel sind die Freileitungen im Mölltal zwar gut zu sehen, aber wahrscheinlich nur deshalb, weil sie relativ neu sind und damit in der Sonne silbrig glänzen. Der Abzweig über die Berge Richtung Drautal zum Pilotengrill ist nicht mehr zu erkennen, sondern nur durch die Waldschneise lässt sich erahnen, dass dort eine Freileitung sein könnte.
Empfehlenswert zur Warnung vor Freileitung ist natürlich, die Vario und XC-Track Hinderniswarnung aktuell zu halten und im Flug zu aktivieren. Ein guter Rat ist zudem, Local-Heros und sonstige erfahrene Piloten zu Freileitungen im Fluggebiet zu befragen.
Im Flug
Die folgenden Aufnahmen wurden aus den Videos herausgeschnitten und sind dementsprechend nicht von guter Qualität. Im Flug sind Freileitungen natürlich wesentlich besser zu erkennen.

Im Foto ist der sogenannte Pilotengrill im Drautal in der Nähe von Greifenburg zu sehen, eine vermutlich Höchstspannungsfreileitung. Sie ist nahe am Boden geführt, gut sichtbar und stellt somit keine größere Gefahr für uns dar. Einzig die Thermiksuche nah am Hang könnte dadurch behindert werden.

Im Foto ist eine Hochspannungsfreileitung westlich der Brenta dargestellt. Die kann durchaus die Thermiksuche nach der Talquerung erschweren. Sie ist aber noch gut vor dem grünen Wald zu sehen.

Freileitungen verlaufen manchmal parallel zu Bergketten, wie hier im Beispiel aus dem Zillertal zu sehen ist. Hier besteht die Gefahr, dass man bei der Thermiksuche am Hang hinter der Freileitung gefangen wird und bei zu niedriger Höhe zwischen Berg und Freileitung, es nicht mehr möglich ist, Richtung Talmitte zu fliegen.

