Ben Spengler – Der Biwak Flieger

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Biwaktouren, die wenigsten von uns machen es. Den meistens von uns Ottonormalpiloten ist Biwaktoruen zu anstrengend, zu wetterabhängig und zu gefährlich, die Liste läßt sich beliebig fortführen, aber es gibt einige wenige Piloten die sich von all dem nicht abschrecken lassen. Einer dieser unerschrockenen Piloten ist Ben Spengler. Die Erfahrungen die er in den letzten Jahren gemacht hat und viele Tipps und Tricks zum Biwakfliegen, gibt er in dem Interview zum Besten.

Ad Nubes: Hallo Ben, warum tust du dir das überhaupt an, das Biwakfleigen? Der Ottonormalpilot, der ist ja froh, wenn er irgendwie abends seine Dusche hat, sich ins warme im Bett liegen kann und so weiter und sofort. Was macht für dich das Biwakfliegen aus?

Ben: Diese Abenteuer, die Ungewissheit nicht wirklich zu wissen, wo man den nächsten Abend schläft und zum guten Gesamtabenteuer gehört auch immer ein bisschen leiden. Ungewissheiten und oft ergeben sich daraus dann wieder irgendwelche tollen unerwarteten Erfahrungen oder Erlebnisse.

Ad Nubes: Was meinst du mit leiden?

Ben: Ja, es ist auf jeden Fall anstrengend, wenn man den Anspruch hat, größtenteils autark unterwegs zu sein. Früher bin ich wirklich losgezogen und habe mir gesagt, dass ich ab dem Moment, in dem ich aus dem Zug oder Bus aussteige, keine öffentlichen Verkehrsmittel oder Hilfsmittel mehr nutze und alles nur mit der Kraft der Sonne und meiner eigenen Muskeln erledige. Inzwischen bin ich allerdings etwas älter geworden, mein Rücken schmerzt öfter, und daher gönne ich mir gelegentlich den ersten Aufstieg mit der Bergbahn. Meistens lande ich dann aber irgendwo in der Wildnis, wo es keine Möglichkeit gibt, mit der Bahn weiterzufahren. Meist versuche ich in schöne, abgelegene Ecken zu landen, und dann ist es einfach naheliegend, wieder selbst den Aufstieg zu Fuß zu bewältigen.

Ad Nubes: Welchen Stellenwert hat für dich die Fliegerei. Ist es, hast du noch irgendwelche anderen Hobbys? Deine Freundinnen klettert, hast du mir gerade gesagt.

Ben: Früher war Slacklinen etwa fünf bis sechs Jahre lang, vielleicht sogar knapp sieben Jahre, meine größte Leidenschaft. Aber dann begann meine Schulter, immer wieder auszukugeln – insgesamt elf Mal in zwei Jahren. Nachdem sie einmal instabil geworden war, wurde es wirklich unangenehm, und schließlich musste ich nach zwei Jahren operiert werden. Danach wurde das Fliegen mein Haupthobby, und ich habe mich vom Slacklinen mehr und mehr zurückgezogen. Außerdem hat sich die Szene etwas verändert. Seit etwa zehn Jahren ist das Fliegen nun meine Hauptleidenschaft.

Ad Nubes: Wann hast du mit der Fliegerei angefangen?

Ben: 2013 war ich das erste Mal am Übungshang im Oktober und dann im nächsten Jahr im Sommer irgendwann hatte ich mein Schein in der Tasche.

Ad Nubes: Gut, das ging ja relativ schnell, das war bei mir auch so gewesen. Also dann noch anschließend direkt B-Schein gemacht, wahrscheinlich bei dir auch?

Ben: Ich habe mir da 2 Jahre Zeit gelassen. Ich bin schon meine ersten Hunderter geflogen, als ich ein B-Schein gemacht habe.

Ad Nubes: Ruhe, das will keiner hören. Du hast mir gesagt, du bist, ich weiß nicht genau wie dein Beruf heißt, Landschaftsgärtner oder sowas in der Richtung.

Ben: Baumpfleger.

Ad Nubes: Da du musst ja auch körperlich fit sein. Du musst dich mit Gurtzeugen auskennen und solchen Dingen. Hilft dir da dein Beruf für die Fliegerei weiter .

Ben: Ich denke, eine gewisse Grundfitness ist beim Fliegen immer hilfreich. Wenn es ernst wird, wird man da oben schon ordentlich durchgeschüttelt, und da schadet es nicht, etwas Körperspannung zu haben – vor allem, wenn man 6, 7 Stunden oder länger in der Luft bleiben möchte. Abgesehen davon ist es jedoch relativ egal. Man kann sich in jedem Beruf fit halten, und ich würde sagen, Fitness ist nicht das entscheidende Kriterium.

Ad Nubes: Es kommt ja öfters mal häufiger vor, dass wir im Baum landen und da sind die Kenntnisse, wie man jemanden aus dem Baum rausholt dann doch eigentlich ganz sinnvoll? Auch wenn es einem selbst passiert, ist es natürlich hilfreich oder wenn man jemand anderem helfen will.

Ben: Wenn ich tatsächlich mal eine richtige Baumlandung hätte, wäre das wahrscheinlich gar nicht so unangenehm. Einmal bin ich halb in einem Baum gelandet. Am Wank hatte ich nach langen Phasen mit Rückenwind endlich eine Ablösung erwischt, meinen Schirm aufgezogen, und die „Ohren“ waren drin. Ich dachte mir, das gibt sich schon wieder, sobald etwas Druck in die Kappe kommt. Doch als ich losrannte, hob ich gerade so ab, und mit dem zusätzlichen Rückenwind drehte sich der Schirm, und es war doch mehr als nur die „Ohren“. Ich hatte kaum Druck in den Bremsen. Die andere Option wäre gewesen, mit starkem Rückenwind auf der Vorderstraße zu landen, aber das Risiko, mir dabei die Beine zu brechen, war mir zu groß. Also entschied ich mich für die Bäume. Ich flog zwischen zwei Bäume hinein und kam etwa einen halben Meter über den Latschen sanft zum Stehen. Beim Versuch, mich aus dem Schirm zu befreien, riss der Schirm etwa 30 Zentimeter ein. Wir haben das dann mit Tape repariert und sind noch eine Runde geflogen.

Ad Nubes: Wenn man eine Baumlandung macht, sollte man ja eigentlich direkt auf den Baum zu fliegen und nicht zwischen zwei Bäumen.

Ben: Ja, das ging mir auch durch den Kopf. Die Worte des Fluglehrers: „Wenn du weißt, es werden die Bäume, such dir den besten aus, am besten einen Nadelbaum. Steuere direkt darauf zu, bremse leicht an und lass den Schirm dann schießen.“ In dieser Situation dachte ich nur, dass zwischen dem Stamm und mir nicht viele Äste sind und ich mit dem Rückenwind ziemlich viel Geschwindigkeit habe. In einer anderen Situation würde ich darauf achten, gegen den Wind in den Baum zu landen. Aber bei so viel Fahrt – 40 oder 50 km/h, oder was auch immer – kann ich vielleicht noch 10 km/h abbremsen, aber selbst 30 km/h sind mir noch zu schnell, um gegen den Baumstamm zu prallen.

Ad Nubes: Wie bist du denn zum Biwakfliegen gekommen?

Ben: Ich weiß gar nicht mehr genau, ob ich von Anfang an die Idee im Kopf hatte, alles, was man braucht, in einem Rucksack unterzubringen und damit mehrere Tage in den Bergen unterwegs zu sein. Es ist einfach wunderschön, das zu erleben. Vielleicht habe ich auch in der Flugschule davon gehört, dass andere das machen. Aber eigentlich war mir von Anfang an klar, dass ich genau das will. Ich hatte sofort Lust darauf: möglichst weit hinaus, weg von der Zivilisation, den ganzen Tag fliegen und in den Bergen sein – und das immer wieder zu erleben.

Ad Nubes: Machst du denn überhaupt normales Streckenfliegen oder Hike and Fly?

Ben: Ja, genau. Im Sommer mache ich ab und zu Hike and Fly, aber wenn die Streckenflugsaison ist, bin ich oft zu faul und schlafe lieber eine oder zwei Stunden länger, anstatt den Berg zu Fuß zu erklimmen. Für mich ist Hike and Fly eher im Herbst und Frühling angesagt, weil es im Sommer oft zu heiß ist. Ganz normales Streckenfliegen ist bei mir auf jeden Fall auch noch ein großes Thema. Ich mache das häufiger als Biwaktouren, aber in der Regel schaffe ich trotzdem ein oder zwei größere Biwaktouren pro Jahr.

Ad Nubes: Aber du lädst sie nie auf ein Portal hoch. Ich habe noch keinen Flug von dir gesehen.

Ben: Nein, ich habe mich geweigert, meine Flüge beim DHV-XC und XContest hochzuladen. Der Grund dafür liegt darin, dass ich früher ohne Uri geflogen bin und mich nicht entspannen konnte, weil ich in der Luft nicht pinkeln konnte. Also bin ich immer topgelandet, wenn ich musste, was aber dazu führte, dass ich immer zwei Flüge hatte. Es war irgendwie frustrierend, weitere Flüge hochzuladen, die dann in zwei oder drei kurze geteilt werden. Deshalb fand ich den XCR-Server von XC Revolution ganz nett, weil sie es tatsächlich erlauben, solche Flüge zusammenzufassen. Es macht es ja nicht leichter, eine große Strecke zu fliegen, nur weil man zwischendurch mal landet – im Gegenteil, das kostet meist Zeit und macht es eher schwieriger, lange Strecken zu bewältigen. Besonders wenn es zur Mittagszeit richtig turbulent ist, stellt das Toplanden eine Herausforderung dar und ist nicht ganz ungefährlich. Aber es ist sicherlich ein gutes Training für die ganzen Biwak-Touren, bei denen ich jetzt oft toplande. Letztlich ging es mir nie um den Wettbewerb. Ich fliege einfach, weil ich schöne Linien fliegen will und Spaß am Fliegen habe. Der XCR-Server bietet mir jetzt eine nette Möglichkeit, interessierten Leuten einen Link zu meinen Flügen zu geben und zu zeigen: „Schau mal, das bin ich geflogen, das sind schöne Linien.“

Ad Nubes: Fliegst du immer noch ohne Uri?

Ben: Mittlerweile habe ich den Durchbruch geschafft, und das liegt an den Lochösen. Früher hatte ich den Schlauch über das Hosenbein herausgeleitet, was dazu führte, dass ich immer schief im Gurtzeug saß und enorm viel Körperspannung aufbringen musste, um geradeaus zu fliegen. Bei den kleinsten Turbulenzen konnte ich mich dann einfach nicht entspannen. Jetzt habe ich an beiden Seiten des Gurtzeugs Lochösen angebracht und den Schlauch dort durchgeführt. Seitdem sitze ich super entspannt – es ist eine völlig andere Welt.

Ad Nubes: Du führst das irgendwo neben der Hose heraus.

Ben: Ja, ich führe es einfach oben zur Hose raus und dann zur Seite durch die Lochösen durch, kann man sich schon passend bei Ebay kaufen.

Ad Nubes: Okay ich mache es immer noch am Bein, aber muss ich dann auch mal probieren, ob das vielleicht die bessere Alternative ist.

Ben: Ich fand das Fliegen viel entspannter, aber gut, ich fliege auch das Kolibri, das zwei Beinschlaufen hat. Jetzt habe ich ein Gurtzeug ohne diese Beinschlaufen, das wahrscheinlich deutlich stabiler ist, wenn man mal ein Bein heraushängen lässt. Mit dem Kolibri konnte ich mich nie richtig entspannen, weil ich die Körperspannung halten musste, um den Kurs beizubehalten.

Ad Nubes: Also, wenn ich im Boden stehe, ist es kein Problem laufen zu lassen. Aber wenn ich dann in der Luft bin und mich aufrichte, dann geht es nicht. Also das könnte bei mir ein ähnliches Problem sein.

Ben: Genauso war es bei mir auch, dieses bisschen Körperspannung und schon hat es blockiert.

Ad Nubes: Welche Fähigkeiten braucht man als Pilot, um Biwak zu fliegen, was sollte man als Mindestvoraussetzung können?

Ben: Das kommt extrem auf die Ziele an die man sich steckt. Will ich jetzt wirklich einfach nur mal irgendwo ein paar Kilometer das Pinzgau runterfliegen und vielleicht zum nächsten Campingplatz hintrampen oder laufen und dann am nächsten Tag wieder gemütlich mit der Bergbahn hoch und wieder zurückfliegen oder ein bisschen weiter oder will ich wirklich in die wilden Ecken der Alpen.

Ad Nubes: Sagen wir mal die Dinge, die du machst, also die wirklich wilden Dinge.

Ben: Ja, für die etwas anspruchsvolleren Ecken der Alpen, wie beispielsweise Hauptkammquerungen und ähnliche Unternehmungen, sollte man sich unter seinem Schirm wirklich wohlfühlen. Das gilt besonders an Tagen, an denen es gut geht und die Luft sehr turbulent ist. Irgendwann muss man sich meist durch unangenehme Bedingungen kämpfen, etwa durch sehr unruhige Luft. Es ist wichtig, mit großen Klappern vertraut zu sein und dabei keinen Stress zu empfinden, ebenso wie mit engen Landeplätzen und turbulenten Bedingungen bei der Landung. Es ist auch ratsam, Toplandungen geübt zu haben. Trotzdem sollte man im Zweifelsfall lieber eine Landung im Tal vorziehen, anstatt eine Toplandung zu erzwingen.

Ad Nubes: Hast du das den Fall auch schon öfters gehabt.

Ben: Dass ich mir selber gedacht hab, das habe ich jetzt erzwungen?

Ad Nubes: Na oder sagen wir mal, dass du lieber im Tal landest, als oben auf dem Berg irgendwo zu landen.

Ben: Ja, das gab es schon auch, dass ich versucht habe, irgendwo runter zu kommen. Gemerkt habe, nee vergiss es, hier ist es viel zu turbulent, es geht viel zu krass ab und ins Tal geflogen bin.

Ad Nubes: Gibt ja genau die umgekehrten Fälle, dass die Talwinde zu stark sind und dass man eben eher top landet, dass das die sichere Variante ist.

Ben: Dazu habe ich eine Anekdote von meiner ersten Biwaktour nach Meran. Zusammen mit Nikolas Manthos sind wir vom Laber gestartet und haben es am zweiten Tag tatsächlich bis nach Meran geschafft. Ich sah, wo wir irgendwo gelandet sind. dass Niko mit seinem schnellen Schirm im vollen Gegenwind stand und überhaupt keinen Vorwärtsflug mehr hatte. Da dachte ich mir, dass es klüger wäre, die Höhe zu nutzen und weiter oben bei den Almen an den Hängen zu landen. Im Zweifelsfall könnte ich dort warten, bis der Wind am Abend nachlässt, anstatt unten zu landen, wo es kaum Landemöglichkeiten gibt und fast alles von Apfelplantagen bedeckt ist.

Ad Nubes: Die Gegend über Meran ist ja wirklich ziemlich haarig.

Ben: Genau.

Ad Nubes: Ich habe mir noch mal zur Vorbereitung, den Podcast mit Marcel Dürr angehört und er hat auch gesagt, das gerade Meran ein schwieriges Umfeld ist, zu landen.

Ben: Ja, ich dachte mir wirklich, dass ich besonders clever bin. Ich wollte oben landen, wo es perfekt schien, kaum Wind und alles wunderbar. Ich flog zwei Schleifen über meinem Landeplatz, und bei der zweiten Schleife war ich dann tief genug, um zu sehen: Oh Mist, da ist ein Kabel, noch ein Kabel, und noch eins. Jetzt wurde es wirklich knapp, aber in einer Ecke konnte ich noch irgendwie runterkommen. Ich flog weiter, drittes Kabel, verdammt, das geht auch nicht, schaue nach oben, viertes oder fünftes Kabel – es wurde immer kniffliger.

Ad Nubes: Dafür ist Italien bekannt, dass die Kabel kreuz und quer gehen.

Ben: Und in Südtirol ist es durchaus möglich, dass von solchen Höfen aus Kabel durch felsdurchsetzte, steile Bergwälder hinaufgeführt werden, um Bäume herauszuziehen oder Ähnliches. Ich hatte großes Glück, dass ich unter einem dieser Kabel hindurchgepasst habe. Als ich nach oben schaute, sah ich plötzlich noch ein Kabel – und im nächsten Moment war ich schon darunter hindurch.

Ad Nubes: War es eine Freileitung oder etwas isoliertes?

Ben: Das war ein Materialseilbahnen.

Ad Nubes: Ach so, okay ja, die sind ja besonders fies, weil die ja eine große Spannweite haben.

Ben: Ja genau keine Markierungen. Und dann bin ich doch in Tal landen gegangen, hat funktioniert.

Ad Nubes: Kommen wir zur Routenplanung. Machst du vorher eine Routenplanung oder lässt du das auf dich zukommen oder sagst du einfach nur, wie in dem Beispiel, ich fliege vom Laber Richtung Meran, zwischendrin lass ich das alles auf mich zukommen.

Ben: Ich mache immer eine grobe Routenplanung, wobei es darauf ankommt, in welcher Ecke der Alpen ich unterwegs bin. Die bayerischen Alpen bis ins Allgäu, weiter hoch bis ins Inntal, Ötztal, Rhein, Stubaital bis hinunter zum Großglockner und wieder nach Pinzgau zu den Steinerbergen kenne ich mittlerweile gut. Wenn ich jedoch in niedriger Höhe durch Seitentäler und Pässe navigieren müsste, würde ich sicherlich noch einmal auf die Karte schauen. Solange ich aber hoch genug fliege und einen Überblick über die Teilsysteme habe, finde ich mich gut zurecht. Wenn ich neue Routen bei niedriger Wolkenbasis oder ähnlichen Bedingungen fliegen möchte, würde ich mir auf jeden Fall vorher genau anschauen, wie die Route verläuft. Besonders interessieren mich neue Gebiete wie das Oberengadin, ein Flug zum Comer See oder weiter westlich in die Schweiz über den Oberalppass hinaus. In solchen Fällen würde ich mir vorher auf der Karte genau meine Optionen ansehen und verschiedene Pläne für unterschiedliche Wetterszenarien machen.

Ad Nubes: Bist du denn so gewissenhaft wie der Marcel Dürr? Der macht sich ja wirklich Wegpunkte, hat sogar erzählt, dass er in Meran die landbaren Punkte sich als Wegpunkte auf XC Track anzeigen hat lassen. Machst du das so intensiv und gewissenhaft?

Ben: Nein, so gewissenhaft gehe ich da nicht vor. Ich lasse es eher auf mich zukommen und suche das Abenteuer. Ich fliege allerdings auch nicht so gut wie Marcel. Wenn wir zusammen unterwegs sind, hat er ein sehr gutes Gespür dafür, eine bessere Linie zu finden – manchmal genügt es, nur 50 Meter weiter rechts oder links zu fliegen. Meistens hängt er mich dann ab. Ich bin eher jemand, der freestylt, und habe gemerkt, dass ich manchmal zu verkopft an die Sache herangehe, indem ich mich zu sehr auf Thermikkarten, KK7-Hotspots oder Ähnliches konzentriere. Gerade an Tagen, die nicht den typischen Flugbedingungen entsprechen, funktionieren diese Informationen oft nicht. Wenn es viel Wind gibt, die Wolkenbasis sehr niedrig ist oder große Abschattungen auftreten, ist es oft besser, nach Gefühl zu fliegen. Für mich klappt das oft besser, auch wenn es vielleicht nicht immer der direkteste Weg ist.

Ad Nubes: Benutzt du den XC-Tracer oder hast du ein anderes Fluginstrument?

Ben: Ja, ich nutze den XC-Tracer und verwende eigentlich ausschließlich diesen. Ich habe zwar meistens mein Handy dabei, aber das nutze ich höchstens für Offline-Karten, insbesondere OSMAnd Maps. Meiner Meinung nach sind das absolut geniale Offline-Karten, auch wenn die Menüführung ziemlich kompliziert ist und es etwas Aufwand erfordert, die Karte so anzupassen, dass sie wirklich gut funktioniert. Früher musste man sich die Add-Ons einzeln kaufen, aber mittlerweile muss man, glaube ich, ein Gesamtpaket im Abo erwerben. Das ist zwar etwas ungünstig, aber dafür erhält man dann Höhenlinien, topographisches Relief und eine einfache Download-Funktion für große Gebiete. Ein cooles Feature ist, dass man nach verschiedenen Dingen filtern kann, wie Unterständen, natürlichen Wasserquellen, Trinkwasserquellen, Schutzhütten – sowohl bewirtschaftet als auch unbewirtschaftet. Man kann die Karte herauszoomen und seine Route entsprechend planen, um beispielsweise sicherzustellen, dass man an Wasserstellen vorbeikommt oder bei einem drohenden Gewittersturm einen Unterstand findet. Wenn die Verpflegung knapp wird, hilft es auch, eine bewirtschaftete Schutzhütte ausfindig zu machen.

Ad Nubes: Machst du das, während dem Flug da drauf zu gucken?

Ben: Meistens nicht. Meistens mache ich das nach der Landung, mit der Flugvorbereitung für nächsten Tag.

Ad Nubes: Hast du eine Sammlung von Routen, die sagen wir mal Einsteiger oder auch Fortgeschrittene empfehlen könntest?

Ben: Ich würde gar keine speziellen Routen empfehlen, weil jeder Tag anders ist. Stattdessen würde ich eher Regionen empfehlen. Alles, was südlich von Kössen liegt, ist ein relativ freundliches Gelände mit vielen Wiesenhängen, zahlreichen Start- und Landemöglichkeiten. Die Berge sind dort nicht so extrem wild, rau und steil, sondern die Landschaft ist eher hügeliger. Ich würde sagen, die gesamte Region, inklusive Pinzgau, eignet sich gut, abgesehen vielleicht von der Gegend südlich des Pinzgauer Tals, wo die Berge in Richtung Alpenhauptkamm wilder werden. Aber insgesamt bietet sich diese Ecke gut an, und auch das Allgäu ist eine gute Option.

Ad Nubes: Slowenien ist bestimmt auch nicht schlecht.

Ben: Slowenien geht super gut. Bassano geht toll und da hast du ja auch alle möglichen großen offenen Landemöglichkeiten oben am Berg. Das sind schöne Ecken, um mal so die ersten Biwak Erfahrungen zu machen.

Ad Nubes: Okay, wie machst du das denn mit dem Wetter? Bist du von deiner Arbeit so flexibel, das du da kurzfristig frei nehmen kannst.

Ben: Ich plane meine Arbeit nicht kurzfristig. Als Selbstständiger entscheide ich selbst, wann ich arbeiten möchte, und finde in der Regel auch immer Aufträge. In den letzten Jahren habe ich es so gehandhabt, dass ich meinen Kunden im Frühjahr oder Frühsommer mitteile, dass sie vorerst keine Anfragen mehr stellen müssen und sich nicht wundern sollen, wenn sie ein paar Monate nichts von mir hören. Ich melde mich dann wieder, wenn ich Geld brauche und Lust auf Arbeit habe. Meistens arbeite ich trotzdem ein paar Tage im Monat, zum Beispiel, wenn das Wetter schlecht ist und ich frage, ob gerade jemand meine Dienste benötigt. Manchmal ist im Sommer weniger zu tun, vor allem in der Baumpflege, aber wenn es passt, arbeite ich auch im Sommer. Wenn es genug andere Projekte gibt, gönne ich mir allerdings auch mal eine Auszeit.

Ad Nubes: Gute Lebenseinstellung. Wie bekommst du raus, dass es Wettertechnisch gesehen gehen könnte in die nächsten Tagen, passend für eine Biwak Tour, welche Tools benutzt du?

Ben: Früher habe ich Austro Control genutzt, aber seitdem es das in dieser Form leider nicht mehr gibt, bin ich auf XCTherm umgestiegen. Ich glaube, ich bin nicht der einzige Pilot, der dieses Jahr die Erfahrung gemacht hat, dass oft Tage, die drei, vier oder fünf Tage im Voraus als perfekt vorhergesagt wurden—kein Wind, tolle Thermik, alles ideal—je näher sie rücken, desto schlechter das Wetter tatsächlich wird. Am Ende steht man dann im Regen oder mit anderen unerwarteten Bedingungen da. Das ist besonders ärgerlich, selbst für mich, der kaum Termine und Verpflichtungen hat. Für Menschen, die auf feste Zusagen angewiesen sind, ist es oft schwer nachvollziehbar, wenn ich sage, dass die Wettervorhersage zwar aktuell gut ist, sich aber wahrscheinlich verschlechtern wird und ich dann doch spontan Zeit habe. Dieses Jahr hatte ich das Gefühl, dass die Wettervorhersagen besonders unzuverlässig waren. Es gab einige Biwak-Touren, bei denen wir mit großen Erwartungen aufgebrochen sind und dann von den tatsächlichen Bedingungen enttäuscht wurden.

Ad Nubes: Ich benutze auch XCTerm. Ich finde es ja toll, auch gerade, weil das alles so schön grafisch dargestellt ist. Man hat einen schnellen Überblick, aber die sind natürlich auch abhängig von DWD, die liefern ja die Daten und wenn die total falsch sind, können die natürlich auch nichts dafür.

Ben: Ich habe mich wirklich gefragt, ob es einen Unterschied macht, dass sie in ihrem Modell keine Wetterstationsmessdaten mehr integrieren. Sie behaupten zwar, es würde keinen Unterschied machen, aber ich bin mir da nicht so sicher. Mehr Daten sind doch grundsätzlich besser, oder? Wenn man plötzlich auf die tatsächlichen Live-Daten von Wetterstationen verzichtet und stattdessen nur noch Hochrechnungen verwendet, selbst wenn diese häufiger aktualisiert werden, könnte das doch einen Einfluss haben.

Ad Nubes: Ok, das wusste ich jetzt auch noch nicht.

Ben: Haben sie sogar auf Ihrer Webseite so angegeben.

Ad Nubes: Ich hatte gedacht, du musst noch irgendwelche anderen Tool wie zum Beispiel Windy, die dann in der Vorhersage noch weiter in die Zukunft geht, aber wenn du so flexibel bist brauchst du das ja gar nicht.

Ben: Natürlich nutze ich auch Windy, aber nicht, um weit im Voraus einen guten Flugtag vorherzusagen. Dafür ist es mir in den letzten Jahren viel zu ungenau gewesen. Irgendwann muss man einfach eine Entscheidung treffen: Gehe ich fliegen oder nicht? Dann muss man mit den Bedingungen klarkommen oder eben nicht. Seit ich aufgehört habe, große Erwartungen an den Tag zu setzen, geht es mir besser. Ich entscheide einfach, ob ich fliege oder nicht, und wenn die Entscheidung gefallen ist, versuche ich, das Beste daraus zu machen.

Ad Nubes: Thema Lufträume. Das ist jetzt in Alpen nicht so ganz das große Thema, aber trotzdem müssen die ja trotzdem beachtet werden. Wie gehst du damit oder wie informierst du dich?

Ben: Ja, grundsätzlich schaue ich mir zuerst den Luftraum an und dann die NOTAMs. Dafür nutze ich hauptsächlich die Seite notaminfo.com, weil sie eine übersichtliche grafische Darstellung bietet und man sich das gesamte Land auf einmal ansehen kann. Das ist sehr praktisch. Was mich jedoch immer noch ein wenig stört, sind die anderen Tools, bei denen man zuerst eine Route von Flughafen A nach Flughafen B eingeben muss. Da muss man immer überlegen: Die Vorhersage kann sich komplett ändern, meine Pläne können sich unterwegs komplett ändern. Was, wenn ich plötzlich in eine andere Richtung fliege? Komme ich dann in eine Region mit relevanten NOTAMs? Kann ich spontan dorthin fliegen, wenn ich Lust habe? Mir fehlt bei diesen anderen Anbietern oft die Möglichkeit, schnell einen groben Überblick zu bekommen.

Ad Nubes: Du solltest mal meinen Blog anschauen. Ich habe da einen Artikel drüber geschrieben, also das notam.info und die anderen Apps die es da gibt, die sagen ja schon in ihren AGBs, dass sie keine rechtsverbindliche Beratung abgeben. Also von daher sehe ich das eher kritisch.

Ben: Ich weiß. Ich habe mir den Blog heute angeschaut. Ich werde mal die Austro Control Seite noch mal genauer anschauen.

Ad Nubes: Ich habe leider schon festgestellt, das ist ein bisschen hagelig auf dem Smartphone, für Austro Control benötigst du eine gute Internetverbindung und dann geht’s, also musst du einfach testen.

Ben: Die Schweizer haben es ja ganz gut gelöst. Sie haben Kartenmaterial, alles irgendwie da, aber ob die jetzt wirklich auch die NOTAMs zuverlässig da drinnen veröffentlichen haben, hab jetzt auch nicht genau im Kopf.

Ad Nubes: Auf Astro Control werden NOTAMs weltweit veröffentlicht, nur weiß ich jetzt nicht, ob das Rechtsverbindliche ist oder nur auf österreichischen Staatsgebiet, da müßte man sich nochmal schlau machen. Aber es ist ja schon mal gut, dass du überhaupt die NOTAMs abrufst, viele Piloten machen das nicht.

Ben: Das ist natürlich wichtig, aber es ist ärgerlich, wenn ich irgendwo lande und keine Internetverbindung habe. Ich schaue zwar immer eine Woche im Voraus auf notaminfo.com nach, und das ist schon hilfreich, weil man die Woche im Blick hat. Aber manchmal können NOTAMs auch sehr kurzfristig ausgelöst werden. Wenn ich dann wirklich irgendwo im Oberengadin auf der Wasserscheide sitze und keinen Empfang habe, bleibt mir nur zu hoffen, dass nicht über Nacht ein neues NOTAM veröffentlicht wurde. Ich denke, die Wahrscheinlichkeit dafür ist zwar gering, aber ganz ausschließen kann man es nicht.

Ad Nubes: Aber noch mal zurück zu den Lufträumen. Wie informierst du dich da?

Ben: Den XC Contest Lufträume. Da sind schon keine allzu großen Schnitzer drin sein, denen vertraue ich mal.

Ad Nubes: Das wollte mir das nochmal näher anschauen, weil der Georg aus unserem Verein hat darauf hingewiesen, dass das mit den Höhenangaben da ein bisschen problematisch ist. Ich weiß nicht, wie nah du da an Lufträumen ranfliegst oder ob du sagst einen großen Sicherheitsabstand ist kein Problem für mich.

Ben: Bei größeren Talsprüngen kann man schon mal an die oberen Grenzen gehen, wenn die Bedingungen es zulassen. Die meisten Luftdruckgrenzen orientieren sich am QNH, also am Standarddruck. Beim Fliegen hat man zudem noch einen Puffer von etwa 100 bis 200 Metern, und wenn man sich an die GPS-Höhen hält, sollte alles passen. In Slowenien ist mir allerdings einmal passiert, dass ich, zumindest nach den GPS-Grenzen, ein wenig in den Luftraum hineingezogen wurde. Ich bin aus der Thermik herausgeflogen und wollte abspiralen, um nicht weiter hineingezogen zu werden. Als ich merkte, dass das nicht wirklich klappte, bin ich wieder in die Spirale gegangen. Währenddessen fiel mir ein, dass mir vor zwei Tagen ein Edelstahlring auf einer Seite gebrochen war, sodass mein Gurtzeug etwas angeschlagen war. Das machte mir Sorgen, weil ich nicht abstürzen wollte, aber das Gurtzeug war schon ziemlich abgenutzt. Daher entschloss ich mich, nicht zu stark zu spiralen und die Spirale wieder zu verlassen. Leider hat es nicht gereicht, und ich wurde noch einmal über 100 Meter hochgezogen. Obwohl ich zu Beginn dachte, ich sei am äußersten Rand der Thermik, kam von unten noch ordentlich Aufwind nach, bildete neue Wolken und ich bin genau durch diese Durchgeflogen. Auch wenn es Pech war, entsprach es dennoch den QNH-Grenzen.

Ad Nubes: Thema Sicherheitstraining, weil du gerade die Steilspirale erwähnt hast. Besuchst du regelmäßig ein Sicherheitstraining?

Ben: Letztes Jahr habe ich mein erstes Sicherheitstraining besucht. Allerdings habe ich schon etwas mehr als ein Jahr nach dem Erhalt meines Scheins begonnen, alles selbstständig manuell zu trainieren. Das würde ich allerdings niemandem empfehlen—jeder sollte unbedingt ein Sicherheitstraining absolvieren. Um es auf den Punkt zu bringen: Ich war der Meinung, dass man sich an viele dieser Techniken, abgesehen vielleicht vom Full Stall, gut selbst herantasten kann. Einen Klapper kann man zum Beispiel schrittweise üben: Zuerst zieht man sich ein kleines Öhrchen, dann ein etwas größeres, bis man es irgendwann als Klapper bezeichnen kann. Nach und nach kann man dann größere Klapper simulieren, bis man schließlich den ganzen Tragegurt herunterzieht und später auch den Beschleuniger hinzunimmt. So kann man sich Schritt für Schritt an alles herantasten. Für mich persönlich hat diese Herangehensweise funktioniert, aber das sollte wirklich nur jemand machen, der sich dabei absolut sicher fühlt.

Ad Nubes: Hast du das dann etwa wenigstens über Wasser gemacht?

Ben: Nein, einfach nur über Land mit ausreichend Höhe unter mir. Aber immer, wenn ich Thermik gefunden habe und keine Lust hatte, einen Streckenflug zu versuchen, bin ich in die Mitte des Tals geflogen. Wenn die Thermik mir nicht schon von selbst ein sicheres Training in Form von natürlichen Klappern gegeben hat, habe ich angefangen, selbst Klapper zu ziehen, einseitige Abrisse zu üben, Steilspiralen und Wingovers zu fliegen—einfach um die Kontrolle zu verbessern. Das habe ich von Anfang an gemacht. Etwas mehr als ein Jahr nach meinem Schein war dann nur noch der Full Stall übrig, den ich noch nicht trainiert hatte. Schließlich habe ich das dann auch irgendwann über Grund gemacht, allerdings ohne zweite Rettung, was ich wirklich niemandem empfehlen würde, aber es ist gut gegangen.

Dann bin ich ein Jahr lang einen B-Schirm geflogen, mit dem ich mich nicht getraut habe, den Full Stall zu üben. Aber als ich meinen C-Schirm hatte, wusste ich, dass ich es doch können muss. Also bin ich spätestens damit zum Gardasee gefahren, und wir haben auf eigene Faust trainiert. Wir haben einfach jeder drei oder mehr Flüge gemacht, bei denen wir etwa 8 bis 10 Full Stalls pro Flug geübt haben. Das Backfly habe ich mit meinem alten Schirm zwar nie so richtig sauber hinbekommen, aber letztes Jahr am Achensee habe ich gemerkt, dass mein neuer D-Schirm, der LM7, im Backfly viel entspannter ist. Inzwischen bin ich auch schon ein paar Mal in der Natur in Stall-Situationen geraten, aber alles verlief immer ganz entspannt.

Ad Nubes: In Natura sogar, wie kann das denn passieren?

Ben: Letztes Jahr hatte ich einmal mit dem LM7 einen großen Klapper, was bei diesem Schirm nicht oft vorkommt. Was allerdings noch nie zuvor passiert war, ist, Das sich mehr als ein Öhrchen verhängt, als ich einen etwa 50-prozentigen Verhänger bekam. War ich gerade dabei, im Lee der des Wettersteingebirges zu soaren. Trotz des großen Verhängers konnte ich meinen Kurs zwar halten, aber ich verlor schnell an Höhe und hatte überhaupt keinen Vorwärtsfahrt mehr gegen den Wind. Da der Grat schnell näher kam, und das Gelände im leh steil abfallen war entschied ich mich in´s leh zu flüchten um die nötige höhe für einen stall zu haben. ( Über die stabilo Line sowie heftiges pumpen auf der verhängten seite war nichts auszurichten)

Gesagt, getan—doch leider geriet ich dabei in einen heftigen Leebart. Mit einem halb offenen Schirm hatte ich plötzlich eine Steiggwerte von bis zu 12 Metern pro Sekunde. Der Schirm stallte daraufhin, fiel schnell weit hinter mich zurück, obwohl ich die Bremsen komplett offen hatte, sobald ich in den Aufwind flog. Als der Schirm dann schoss, öffnete er sich wieder, aber ich konnte das Schießen nicht mehr abfangen. In dem Moment, als er hinter mir war, hätte ich vielleicht gleich in die Backfly-Position gehen sollen. Hätte ich das schon trainiert gehabt, hätte ich es auch gemacht. Stattdessen dachte ich, ich warte, bis der Schirm wenigstens fast wieder über mir ist, bevor ich ihn massiv abbremse, um ihn nicht gleich wieder abzureißen. Vermutlich schoss der Schirm in diesem Moment in den Fallwindbereich der Thermik. . Alle Versuche, den Schirm zu bremsen, halfen nichts. Ich fiel einmal am Schirm vorbei. Glücklicherweise bin ich dabei nirgendwo hängen geblieben. Danach war ich kurz im Backfly, leitete aus, und alles war wieder in Ordnung.

Nach diesem Erlebnis habe ich den Flugtag allerdings früher beendet als ursprünglich geplant.

Ad Nubes: Wahnsinn. Wo hast du das Sicherheitstraining denn gemacht?

Ben: Am Achensee.

Ad Nubes: Beim Ecki wahrscheinlich, oder?

Ben: Ja nee, waren andere. Ich habe aber Grad aus Namen nicht im Kopf.

Ad Nubes: Stefan oder Lukas?

Ben: Stefan glaub ich oder Lukas, Lukas kann es sein.

Ad Nubes: Ich war auch bei dem. Am Idrosee letztes Jahr, war ein gutes Sicherheitstraining.

Ben: Sehr sympathisches Team, aber ich habe mir vorgenommen im Sicherheitstrainings, ach ich geh einfach in Gadasee, wenn ich wieder Bock auf Stallen hab, dann mach ich das auf eigene Faust, wenn ein Boot im Wasser ist.

Ad Nubes: Die haben jetzt ihre eigene Flugschule, der Lukas und Stefan, aber die die 2 sind gut drauf. Die Jungs haben uns sehr gut gefallen.

Ben: Ja, ich weiß, dass ich mit meiner autodidaktischen Herangehensweise an Sicherheit und Training beim Gleitschirmfliegen hier in Bayern ziemlich allein dastehe, aber für mich hat es gut funktioniert. Das muss nicht für andere funktionieren und ist vielleicht nicht der empfehlenswerte Weg, aber ich war schon immer jemand, der sich Dinge gerne selbst beibringt. Von Anfang an habe ich mich intensiv darum bemüht, eins mit dem Schirm zu werden und ein gutes Gefühl für ihn zu entwickeln.

Ad Nubes: Ich lass mir nur äußerst ungern auf die Finger schauen, deswegen mache ich auch nur alle 5, 6 Jahre ein Sicherheitstraining. Ich mache das, wie du das machst, dass ich mal vielleicht an den Ossiacher See fahre und da auf eigene Faust übe.

Ben: Das kann ich sehr empfehlen, melde dich wenn du fährst. Ich wollte dieses Jahr fahren, habe dann aber einmal keine Zeit gehabt, als die Gelegenheit da gewesen wäre mit Freunden. Seitdem dann immer wieder aufgeschoben. Aber ich würde auch noch mal gerne ordentliches Stall Session am Gardasee oder Ossiacher See üben.

Ad Nubes: Gut, kommen wir mal zum Thema Biwak Ausrüstung. Du fliegst ja einen D-Schirm, LM 7 ist ja ein D-Schirm?

Ben: Genau.

Ad Nubes: Ist es empfehlenswert für Biwaktouren einen D-Schirm zu fliegen?

Ben: Ich würde sagen, man sollte den Schirm fliegen, unter dem man sich wohl fühlt und in dem Fall habe ich mich von Anfang an mit dem LM 7 super pudelwohl gefühlt. Ich würde sagen, solange die eigenen Reaktionen zu denen vom Schirm passen und man einen sehr turbulenten Bedingungen noch klarkommt damit, ist es der richtige Schirm.

Ad Nubes: Was für ein Gurtzeug fliegst du?

Ben: Bis jetzt immer das Kolibri, das hat jetzt wahrscheinlich fast 6 oder um die 600 Stunden drin und ist leider sehr in Auflösung begriffen an allen Ecken und Enden.

Ad Nubes: Es gibt ja mittlerweile von Ozon schon seit 1, 2 Jahren dieses spezielle Gurzeug für Biwakfliegen.

Ben: Ja, das BV1. Ich war heute bei der Flugschule Hochries und habe es mir ausgeliehen, um es einmal auszuprobieren. Bei mir bildet sich am unteren Rücken eine etwas unangenehme Falte, die mich stört. Insgesamt ist es vom Sitzkomfort her wahrscheinlich immer noch etwas besser als das Kolibri, aber diese Falte finde ich irritierend. Bei der größeren Größe des BV1 tritt dieses Problem nicht auf – darin sitze ich perfekt. Allerdings reicht das Gurtsystem dann bis zum Nacken hoch, was meine Kopfbewegungen einschränkt. Ich muss das weiter testen und herausfinden, welches Gurtzeug für mich in Zukunft am besten passt. Auf jeden Fall möchte ich ein Biwak-Gurtzeug haben, vielleicht zusätzlich noch ein Streckenfluggurtzeug mit Bürzel. Mal sehen, ob ich mir diesen Luxus gönne. Bisher hat das Kolibri eigentlich ausgereicht.

Ad Nubes: Aber das Kolibri ist ja kein Biwak Gurtzeug?

Ben: Doch das Kolibri ist ein richtiges ausgeschriebenes Biwak Gurtzeug mit extrem viel Stauraum. Bevor das BV1 rauskam das einzigste wirklich ernst zu nehmende Biwak Gurtzeug auf dem Markt.

Ad Nubes: Was hast du denn alles an Elektronik dabei, wenn du deine Biwaktouren machst?

Ben: Normalerweise nehme ich nur eine Powerbank zum Aufladen mit, da die meisten Wetterfenster in der Regel nur 2 bis 3 Tage, maximal 4 Tage, dauern. Es ist sehr selten, dass man längere Wetterfenster hat. Meistens lässt auch meine Energie nach, da ich sehr autark unterwegs bin und mich kaum auf technische Hilfsmittel, Bergbahnen oder Ähnliches verlasse. Wenn man allerdings plant, länger unterwegs zu sein, ist das wieder eine andere Sache. An einem Schlechtwettertag, den man vielleicht sinnvollerweise in einer Hütte verbringt, hat man jedoch auch die Möglichkeit, die Powerbank wieder aufzuladen.

Ad Nubes: Hast du Solarzellen dabei?

Ben: Ich habe keine Solarzellen dabei bisher. Ich habe mich schon immer mal wieder umgeschaut nach irgendwelchen kleinen, leichten, ordentlich verarbeiteten Solarzellen. Bin da bis jetzt noch nicht auf wirklich brauchbare Produkte gestoßen, ist aber jetzt schon wieder 1, 2 Jahre her, dass ich mich das letzte mal schlau gemacht.

Ad Nubes: Also du hast praktisch nur dein Smartphone dabei, dein XC-Tracer, das war es schon, oder?

Ben: Ja, ich habe noch ein Spot dabei, damit mich meine Freundin und ein paar Interessierte noch verfolgen können.

Ad Nubes: Du hast den XC-Track auf dem Smartphone laufen oder nicht?

Ben: Nein, normalerweise habe ich es nicht eingeschaltet. Manchmal aktiviere ich es, wenn ich mich mit dem Luftraum unsicher fühle oder verwirrt bin, aber es verbraucht bei Biwaktouren zu viel Energie. Für Tagesausflüge wäre das mit einer Powerbank wahrscheinlich kein Problem, aber auch da vergesse ich oft, es vor dem Start einzuschalten. Ich fliege lieber mit weniger Elektronik und in Gebieten, die ich kenne. Zwar habe ich mein Handy immer im Cockpit, benutze es aber so gut wie nie.

Ad Nubes: OK, also dich können nur Insider verfolgen.

Ben: Ja, vielleicht ändere ich das irgendwann mal.

Ad Nubes: So eine typische Biwaktour dauert dann bei dir so 4, 5 Tage.

Ben: Ja, 3 bis 5 Tage oder so.

Ad Nubes: Was hast du so an Wäsche dabei?

Ben: In der Regel 2 bis 3 Wechselshirts, manchmal auch nur 1, je nachdem wenn ich nur eine Übernachtung erwarte Meistens eine lange Unterhose und ein Shirt davon ist meistens lang und dann habe ich meistens eine dünne Hose und eine dicke Hose dabei, die ich bei Bedarf kombinieren kann. Eine Daunenjacke, Regenkleidung, ein paar Ersatzsocken und ein Handtuch, Cappy und Mütze.

Ad Nubes: Hast du gleiche am Anfang schon für 5 Tage das Essen dabei?

Ben: Normalerweise schaffe ich es, für 3 bis 4 Tage Essen mitzunehmen, manchmal auch für 5 Tage. In solchen Fällen muss ich dann allerdings zwischendurch irgendwo auf einer Hütte einkehren oder, wie kürzlich, in Tolmin landen und meine Vorräte aufstocken. Ich gebe zu, dass ich da etwas eigen bin – die meisten würden das wahrscheinlich nicht mögen. Aber ich nehme immer gutes Hofpfisterbrot mit, am liebsten das Walnussbrot, weil es ein kompaktes und dichtes Sauerteigbrot ist. Für Biwaktouren habe ich dann je nach Länge der Tour ein Viertel oder ein halbes Laib dabei. Dazu packe ich Käse, Wurst, vielleicht einen Apfel, viele Nüsse und ein paar Energy Bars für unterwegs. Während des Fliegens esse ich manchmal einen Snack, das hat mir Uli Wiesmeier empfohlen. Er meinte, dass er seitdem deutlich besser fliegt, weil er während des Fliegens etwas isst.

Ad Nubes: Gibt es denn hier in München so eine Art Biwakszene, weil du Ulli erwähnt hast?

Ben: Marcel Dürer ist eigentlich der Einzige aus der Region, mit dem ich wirklich größere Touren unternehme. Sonst kenne ich nicht viele, die dafür infrage kämen. Sebastian Huber scheint ein super Typ zu sein, vor allem weil er keine sozialen Medien nutzt und sehr stabil unterwegs ist. Allerdings würde er mich wahrscheinlich gnadenlos abhängen oder sich in meiner Gesellschaft langweilen. Es ist wirklich schwierig, in der Region Leute zu finden, die Lust auf Touren in abgelegene Gegenden haben und das nötige Können mitbringen. Charles begleitet mich ab und zu, und wir haben schon ein paar wirklich schöne Biwaktouren zusammen gemacht. Allerdings sind diese Touren eher gemütlich. Das ist zwar nicht schlecht, aber manchmal habe ich Lust auf mehr Abenteuer, und dann zieht er nicht ganz so mit, wenn ich das Tempo anziehe.

Ad Nubes: Wie machst du das denn mit dem Wasser?

Ben: Ich habe eigentlich immer 3 Liter Wasser dabei.

Ad Nubes: Aber die reichen nicht die 5 Tage.

Ben: Nein, das reicht mir für anderthalb Tage, je nachdem, wie viel ich hochlaufe. Wenn ich in der Nähe des Alpenhauptkamms im Gebiet von Gneis und Granit unterwegs bin, ist Wasser normalerweise kein Problem, solange es keine extreme Dürre gibt. Es gibt dort viele Quellen, und wenn sie auf der Karte verzeichnet sind, findet man oft welche, die nur wenige Höhenmeter unterhalb des Grats entspringen. Rund um den Alpenhauptkamm, besonders im Frühsommer, wenn noch Schneefelder vorhanden sind, ist Wasser wirklich kein Thema. In den Kalkalpen hingegen, also in Gebieten südlich oder nördlich des Alpenhauptkamms im Karstgebirge, ist es deutlich schwieriger, Wasser zu finden. Wenn ich plane, eine Tour zu machen, die nicht in die Nähe des Alpenhauptkamms führt, nehme ich deshalb manchmal einen Wasserfilter mit, um bei Bedarf auch aus einem Tümpel oder einer ähnlichen Wasserquelle trinken zu können.

Ad Nubes: Ich habe für Notfälle so Tabletten mit, aber das sollte man natürlich auch nicht öfters machen. Wenn ich mal irgendwo im Seitental landen würde und müsste übernachten, könnte ich dann für den Notfall Wasser reinigen. Sind Kenntnisse in Geologie von Vorteil, wenn du weißt was genau das für ein Gebirge ist?

Ben: Ja, durch das Klettern der Freundin kommt es dann natürlich so ein bisschen, dass man Gesteinsarten bisschen kennt und die Erfahrung zeigt, dann sehr schnell, dass man da, wo Kalksteine zu finden sind, ganz schwierig Wasser findet, zumindest weiter oben am Berg.

Ad Nubes: Macht man das beim Klettern auch so, dass man sich dann Wasser irgendwo aus der Natur entnimmt.

Ben: Ja, als meine Freundin im Yosemite unterwegs war, da haben die sich teilweise auch das Wasser, das vom Fels getropft ist verwendet, aber ansonsten nimmt man sich für Eintagesklettertouren in der Regel sein Wasser für den tag mit, außer man kennt den Ort und weiß, dass da irgendwie noch mal eine Quelle ist weiter oben.

Ad Nubes: Wie macht man das mit der Körperhygiene, wenn man so ja mehrere Tage unterwegs ist?

Ben: Ja, man stinkt, da braucht man sich nichts vormachen. Bevor ich per Anhalter nach Hause fahre, versuche ich in der Regel, irgendwo in einen Bach, Bergsee oder ähnliches zu springen, um mich zumindest einmal kurz abzuwaschen. Ich habe auch ein kleines Stück Seife dabei, benutze es aber so gut wie nie, zumindest nicht, wenn ich in der Natur bade. Außerdem habe ich ein kleines Mikrofaserhandtuch dabei, aber da reicht wirklich ein winziges

Ad Nubes: Hast du denn eine erste Hilfe Ausrüstung mit dabei?

Ben: Ja, ich habe immer einen Erste-Hilfe-Kit griffbereit im Gurtzeug. Darin befinden sich Mullbinden, Dreieckstücher, sterile Kompressen, jede Menge Kleinteile, etwas Jod, Tape und Heftpflaster. Die meisten Verletzungen benötigen eher ein Heftpflaster, das habe ich auch schon häufiger gebraucht als die anderen Utensilien. Ich habe das Set vor allem dabei, falls ich einmal sehe, dass jemand anderem etwas passiert ist. Ich hoffe natürlich, dass ich es selbst nicht brauche, aber man weiß ja nie. Vielleicht bin ich der erste Helfer an einem Unfallort, und keine Möglichkeit zu haben, zu helfen, weil man nichts dabei hat, wäre für mich fast schlimmer, als selbst verletzt zu sein.

Ad Nubes: Hast du eine erste Hilfe Ausbildung.

Ben: Ja, aufgrund meines Berufs muss ich alle zwei Jahre einen Erste-Hilfe-Kurs absolvieren, also ist mein Wissen die meiste Zeit über relativ frisch. Allerdings gab es neulich eine Situation, als wir zu unserer Tour vom Ötztal Bahnhof aufgebrochen sind. Dort stand bereits eine Gruppe um jemanden herum, der offenbar einen Schlaganfall hatte. In dem Moment habe ich gemerkt, dass mein Wissen doch nicht mehr so frisch war, wie ich dachte. Da wünschte ich mir, der Kurs hätte erst vor ein paar Tagen stattgefunden. Die anderen leisteten bereits gute Erste Hilfe, da hätte ich nicht viel mehr tun können. Dennoch schadet es definitiv nicht, das Wissen gelegentlich aufzufrischen.

Ad Nubes: Wir haben ja schon vorhin von der Baumlandung gesprochen. Hast du denn Bandschlingen mit dabei.

Ben: Mir wurden oft Bandschlingen angeboten, aber in meinen Augen sind sie nicht immer die beste Lösung. Natürlich, in manchen Fällen sind sie nützlich, aber eigentlich besteht eine Bandschlinge zu 50 % aus unnötigem Material. Sie geht hin und zurück, was bedeutet, dass du einen vierfachen Weg hast, den du gar nicht nutzt, da du ohnehin einmal um einen Ankerpunkt herum musst. Stattdessen habe ich einfach eine Reepschnur von 6 oder 7 Metern genommen. Eine 1,50 Meter lange Bandschlinge reicht oft nicht aus, wenn du einen Baum mit einem Durchmesser von über einem Meter hast. Du müsstest den Baum förmlich umarmen, um die Schlinge um ihn herumzuführen und dich sicher einzuhängen. Besonders bei Laubbäumen kann der nächste geeignete Ast ein paar Meter entfernt sein. Deshalb habe ich etwa 7 Meter Reepschnur dabei. An einem Ende habe ich mit einem soliden Knoten, wie einem Achterknoten oder einem Bulinknoten, einen kleinen alpinen Standkarabiner befestigt, der auch als Wurfgewicht dient. Das andere Ende kann ich direkt in meinen Tragegurt einbinden. Sollte ich wirklich einmal in einer gefährlichen Situation hängen, könnte ich versuchen, den Karabiner als Wurfgewicht um einen Ankerpunkt zu werfen und hoffen, dass er wieder herunterkommt. Man kann das Seil auch aufschießen und um den Karabiner wickeln, sodass es sich abwickelt, wenn es über den Ankerpunkt gefallen ist, und dann bis zu einem herunterfällt. Es gibt also Techniken, bei denen man kreativ werden muss, wenn man sich in einer solchen Situation befindet.

Ad Nubes: Dann kommt wieder dein Beruf dir zu Gute.

Ben: Ja, genau. Aber ich denke auf jeden Fall sinnvoll eine Reepschnur dabei zu haben. Und Karabiner, wenn man sehr bewaldeten Gebieten unterwegs ist, oder grundsätzlich.

Ad Nubes: Was hast du sonst noch so an Ausrüstung oder hast du schon alles erwähnt? Wieviel Liter hat denn dein Rucksack?

Ben: Mein Rucksack, ich habe da den Original Kolibri von Kortel. Ich weiß nicht genau wieviel Liter, ich würde schätzen was um die 70 bis 80 liter.

Ad Nubes: Wieviel hast du dabei insgesamt?

Ben: Bin meistens mit über 20 Kilogramm auf Biwaktour unterwegs. Genau, so typisch 24, 25, 26 kilo.

Ad Nubes: Kommen wir doch mal endlich zum Fliegen. Du bist irgendwo im Berg und machst deine Startvorbereitung. NOTAMs haben wir schon eben gesagt, rufst du ab, Lufträume informierst du dich auch. Was machst du denn noch am Berg bezüglich Selfbriefing?

Ben: Es ist auf jeden Fall wichtig, das Wetter und die Thermikprognose zu überprüfen. Außerdem schaue ich mir die Windprognose an, um zu sehen, in welche Richtung der Wind weht. Bei Biwaktouren habe ich mir angewöhnt, mit dem Wind zu planen, da ich zu Beginn mit leistungsschwachen Schirmen geflogen bin. Ich vermeide es, gegen den Wind zu fliegen, sondern nutze ihn größtenteils zu meinem Vorteil. Je nach Schirm und den eigenen Fähigkeiten kann man davon abweichen, aber für Piloten, die ihre erste Biwaktour mit einem A- oder B-Schirm machen, ist es sicherlich ratsam, eher mit dem Wind zu planen. Der Frustpegel kann hoch sein, wenn man gegen den Wind kämpft. Ich schaue mir den Wind an, das Wetter, und ob es in der Nähe des Alpenhauptkamms Föhntendenzen gibt. Wichtig ist vor allem, wie sich der Tag entwickelt und ob die geplante Route noch sinnvoll ist. Manchmal stelle ich fest, dass eine Querung, die am Vortag auf der Karte vielversprechend aussah, bei den aktuellen Bedingungen nicht geeignet ist, und dann umfliege ich das Gebiet lieber.

Ad Nubes: Du hast dich jetzt vorbereitet, bist fertig zum Start. Also ich gucke immer noch Dummies, ob sich da schon was in der Luft tut, aber wenn man Biwak fliegt, dann ist man ja ganz allein, meistens und hat keinen Dummies zur Verfügung. Wie entscheidest du jetzt, könnte Thermik schon an sein, wann startest du?

Ben: Also zum einen fühle ich es ja an den meisten Startplätzen, wenn es jetzt nicht gerade irgendwelche Geländekanten deutlich weiter vorne hat oder sowas, wo offensichtlich die Thermik ablöst und ich dahinter bin. Dann spürt man es meistens am Startplatz, wenn die Thermik hochzieht im Idealfall.

Ad Nubes: Wind der rhythmisch vorbeikommt.

Ben: Genau. Wenn es Phasen gibt, die länger als ein oder zwei Minuten dauern, oder wenn sich die ersten Wolken über einem bilden, oder wenn Steinadler vor einem aufdrehen und zeigen, dass es thermisch geht, sind das immer meine Lieblingszeichen. Aber es kommt auch vor, dass diese Zeichen ausbleiben und man denkt, es sollte längst thermisch aktiv sein. Dann stellt sich die Frage: Riskiere ich den Start jetzt und lande vielleicht gleich im Tal, ärgere mich, dass ich nicht noch eine Stunde gewartet habe, oder warte ich lieber und verpasse gute Thermikzeit? Dafür gibt es keine pauschale Antwort. Ich bin seit vielen Jahren nach dem Start auf einer Biwaktour nicht mehr direkt gelandet, tendiere aber dazu, eher zu lange als zu kurz zu warten. Ich hole definitiv nicht das Maximum aus frühen Starts bei Biwaktouren heraus, sondern achte darauf, dass die Bedingungen einigermaßen stabil sind. Natürlich gibt es auch den umgekehrten Fall, wie wir es gerade in den Nordalpen erleben, dass man zu lange wartet. Zum Glück ist das Problem, wenn man in Richtung Alpenhauptkamm unterwegs ist, meistens weniger ausgeprägt. Aber in bestimmten Gebieten, besonders ab einer gewissen Uhrzeit, kann es schwierig werden, von manchen Bergen noch wegzukommen, weil der bayerische Wind darüber hinwegzieht. Da muss man je nach Lage gut abwägen.

Ad Nubes: Da kann ja natürlich einem auch passieren, daß man da am falschen Berg steht, am falschen Stadtplatz, das die Windrichtung falsch ist. Was machst du denn in dem Fall? Zusammenpacken, runterlaufen oder?

Ben: Also, wenn die Bedingungen wirklich katastrophal sind, dann ja, würde ich umkehren. Zum Glück musste ich das bisher noch nie machen. Meistens setzt sich irgendwann die Thermik durch. Manchmal reicht es auch, ein Stück abzusteigen. Wenn weiter unten im Gelände eine Startmöglichkeit besteht, können schon 100 bis 200 Meter Höhenverlust helfen, da dort die Thermik noch stabil sein kann, während es oben bereits stark windet. Ob man bei solchen Bedingungen fliegen möchte, muss jeder für sich selbst entscheiden – es wird dann auf jeden Fall eher ein wilder Ritt.

Einmal habe ich im Engadin am Alpenhauptkamm übernachtet. Als ich morgens auf den Hügel hinaufstieg, hatte ich starken Seitenwind, aber die Sonne stand günstig. Ich habe den Schirm aufgezogen, bin gestartet und zunächst an die gegenüberliegende Bergflanke geglitten, in der Hoffnung, dort bessere Bedingungen zu finden. Frühmorgens zog noch ein Regengebiet durch, aber dann erlebte ich einen der schönsten Momente beim Biwakfliegen. Ich erwischte tatsächlich die erste Thermik des Tages an dem Triggerpunkt, den ich mir vorher überlegt hatte. Ganz knapp über dem Boden begann es sanft zu steigen und wurde immer besser. Nachdem ich etwa 100 bis 200 Meter gewonnen hatte, tauchten plötzlich zwei junge Steinadler auf, die vom benachbarten Berg herübergeglitten waren. Sie hatten offensichtlich bemerkt, dass es losgeht, und beschlossen, mir eine Art Thermik-Coaching zu geben. Normalerweise fliegen Adler ein paar Kreise, überholen einen und sind dann weg. Aber diese beiden hatten richtig Lust, mit mir zu fliegen. Jedes Mal, wenn sie mich überholt hatten, kamen sie wieder herunter, flogen nicht im Wellenflug, sondern parallel ganz nah an mir vorbei – so nah, dass ich ihre Iris und jede einzelne Feder erkennen konnte. Sie flogen bis auf drei Meter an mich heran und es fühlte sich an, als würden sie mich anlächeln, so nach dem Motto: “Ja, die erste Thermik des Tages läuft schon.” Es war magisch. Ich bin über zehn Minuten auf gleicher Höhe mit ihnen geflogen, ganz nah und als wäre es im Team. Sie kamen immer wieder zurück, und wir haben gemeinsam diesen Moment genossen.

Ad Nubes: Hast du schon mal ein Angriff vom Greifvogel gehabt?

Ben: Einmal wurde ich tatsächlich von einem Steinadler attackiert. Normalerweise machen Steinadler recht deutlich durch ihren Wellenflug klar, wenn sie genervt sind, und dann mache ich mich einfach aus dem Staub. Das hat bisher immer gut funktioniert. Aber einmal bin ich bei Bruneck aufgestiegen und wollte über den Fluss zu meiner Freundin, die mit dem Van dort stand. Ich wollte nicht den langen Weg außen herum nehmen und bin deshalb bei niedriger Basis am Hang entlanggekratzt. Plötzlich bemerkte ich unter mir, dass sechs oder sieben verschiedene Greifvogelarten einen heftigen Luftkampf austrugen. Es war ein großes Geschrei und Gezeter, glücklicherweise etwa 100 Meter unter mir. Oberhalb von mir blubberte es thermisch, und ich versuchte vorsichtig, diese Thermik zu nutzen, um etwas an Höhe zu gewinnen, während ich gleichzeitig die Greifvogel-Party unter mir beobachtete. Ich wollte sicherstellen, dass sie nicht langsam zu mir hochkamen, damit ich rechtzeitig abhauen konnte. Doch plötzlich gab es einen lauten Schlag am Schirm. Ich schaute hoch und sah, dass ein Steinadler über mir war – offenbar hatte ich das Fass zum Überlaufen gebracht, und ihm gefiel meine Anwesenheit überhaupt nicht.

Ad Nubes: Das war in der Nähe von Bruneck?

Ben: Das war in der Nähe von Bruneck, ja.

Ad Nubes: In der Nähe von Pfalzen.

Ben: Nee, das ist an dieser Ridge südwestlich von Bruneck. Da ist die Erste, wenn man vom Speikboden aus vorfliegt Richtung Sterzing, so die erste Ridge.

Ad Nubes: Ich habe letztens gelesen, dass da extrem aggressive Greifvögel sind. Der lokale Verein hat das bekanntgegeben, dass man da aufpassen soll. Wann war das gewesen?

Ben: Das ist jetzt wahrscheinlich schon 3 Jahre her oder so was, 3 oder 4. Da hatte ich auf jeden Fall 2 große Löcher im Schirm.

Ad Nubes: Du konntest landen? Der Schirm war noch flugfähig?

Ben: Ja, voll. Er hat zwar noch ein halbes Dutzend Angriffe geflogen, aber dann habe ich es ja kommen sehen, jedes Mal, wenn er in Angriff geflogen hat und dann habe ich einfach richtig kräftig an den C-Leinen gerupft, dass der ganze Schirm so ein bisschen raschelt und deformiert wird und dann hat er immer abgedreht und ich habe es noch ein paar Meter über den Fluss und über das Maisfeld geschafft, wirklich nur um anderthalb Meter. Ja, ich hab den geklebt mit Klebesiegel und diesmal nicht mit Duct Tape.

Ad Nubes: Hast du einen Reparaturkit mit dabei?

Ben: In der Regel habe ich ein bisschen Klebesegel, ein bisschen Gleitschirmleine, ein paar Nadeln zum Spleißen dabei, um so kleinere Reparaturen machen zu können.

Ad Nubes: Okay jetzt bist du in der Luft, machst du wahrscheinlich, also macht ja jeder Pilot eine Wetterbeobachtung. Guckst du dir das Wolkenbild an?

Ben: Meine Erfahrung zeigt, dass es nicht so gut funktioniert, wenn ich mit einem überladenen Kopf fliege. Wenn mein Kopf frei ist, läuft es deutlich besser. Die eigentliche Kunst besteht jedoch darin, wirklich einen freien Kopf zu haben, und dafür gibt es keine allgemeingültige Anleitung. In den letzten Jahren habe ich oft damit gekämpft, beim Streckenfliegen mental frei zu sein und mich nicht schon im Voraus mit Gedanken wie „Wie komme ich nach Hause?“ zu beschäftigen. Solche Überlegungen lenken einen davon ab, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ich habe oft das Gefühl, dass ich nicht mein volles Potenzial oder das des Tages ausschöpfen konnte, weil mich bestimmte Gedanken im Kopf blockiert haben.

Ad Nubes: Ja gut, aber das Wetter zu beobachten ist ja nicht blockieren, das ist ja wichtig für deine Sicherheit.

Ben: Ja, natürlich ist es wichtig, das Wetter zu beobachten. Aber um weit zu fliegen, muss man dennoch über längere Zeit die richtigen Entscheidungen treffen. In den letzten Jahren hatte ich oft das Gefühl, dass mir dieser Flow gefehlt hat. Bei meiner letzten Biwaktour lief es jedoch wieder richtig gut. Was das Wetterbeobachten angeht, meinst du wahrscheinlich auch, ab wann man abbrechen sollte, wenn die Wolken zu hoch werden, oder?

Ad Nubes: Wenn die Überentwicklung droht oder wenn du Regengebiete siehst oder sogar Gewitter.

Ben: Ja, also bei kleinen, wirklich kleinen Regenzellen versuche ich schon, ihnen auszuweichen oder sie zu umfliegen. Aber es ist unglaublich schwierig, da eine klare Grenze zu ziehen – ab wann es noch passt und ab wann es zu viel wird. Bisher scheint es, dass ich immer die richtigen Entscheidungen getroffen habe; da kann ich wohl nur dreimal auf Holz klopfen.

Ad Nubes: Hattest du schon mal die Situation, dass du vom Gewitter zum Beispiel abspiralen musstest?

Ben: Ganz am Anfang meiner Fliegerkarriere war ich mal in der Nähe von Salzburg beim Soaren. Es war alles grau und bewölkt, aber es ging trotzdem gut im unteren Bereich des Tals, nicht weit über dem Talgrund. Daher habe ich mir keine großen Sorgen gemacht, zumal für den Tag auch kein Gewitter gemeldet war. Doch mit der Zeit wurde der Wind immer stärker und ich stieg immer höher. Irgendwann hörte ich den ersten Donnerschlag hinter mir und merkte, dass es Zeit war, zu landen. Allerdings stellte ich fest, dass ich gegen den Wind kaum noch aus dem Luvbereich herauskam. Es hat ewig gedauert, voll beschleunigt nach vorne zu fliegen. Sobald ich ein bisschen abspiralt hatte, war ich sofort wieder im starken Steigen. Große Ohren zu ziehen hat auch nicht viel geholfen – ich bin fast rückwärts geflogen. Es war ziemlich spannend, da runterzukommen.

Ad Nubes: Das war noch so ziemlich am Anfang deine Karriere?

Ben: Das ist jetzt wahrscheinlich etwa sieben Jahre her. Damals flog ich noch mit meinem B-Schirm. Einmal bin ich in der Nähe von Bruneck unter eine wirklich große, dunkle Wolke geraten, die mich im Geradeausflug über 1000 Höhenmeter nach oben gesaugt hat. Schließlich habe ich im 45-Grad-Winkel zum Wolkenrand hin gesteuert und gehofft, dass ich noch unter dem Rand hindurch aus der Wolke herauskomme. Doch irgendwann merkte ich, dass mein Gleitwinkel immer steiler wurde und ich geradewegs in die Wolke hinein flog. Am Ende hat es mich etwa 300 Meter tief in die Wolke hineingezogen.

Ad Nubes: Hat du raus spiralt?

Ben: Nee, nee, da hatte 7 Meter die Sekunde steigen, da hätte ich keine Chance gehabt, raus zu spiralen, heißt Vollgas geben und ja geradeaus fliegen.

Ad Nubes: Meiner Meinung nach eh die sichere Methode.

Ben: Sobald ich in einer Wolke bin und keine Sicht mehr auf den Boden habe, spirale ich nicht mehr. Ohne Horizont ist es schwierig, die Spirale sauber auszuleiten. In ruhiger Luft könnte das, wenn man geübt ist, wahrscheinlich noch funktionieren. Aber das Problem ist, dass man in solchen Situationen meistens nicht ruhig bleibt, besonders wenn der Aufwind so stark ist, dass man überhaupt erst darüber nachdenkt, zu spiralen.

Meine Erfahrung zeigt, dass selbst wenn ich in starkem Aufwind spirale – sagen wir mal, bei einem Steigen von 6 Metern pro Sekunde und einem Sinken von 3 Metern in der vollen Spirale – ich nach ein paar Minuten Spiralen vielleicht 50 oder 100 Meter abbaue. Doch bis ich die Spirale vollständig ausgeleitet habe, bin ich oft schon wieder 50 Meter weiter oben. Ab einer bestimmten Stärke des Steigens macht eine Spirale also nur noch bedingt Sinn, es sei denn, man versucht, sich schnell von einem Wolkenfetzen zu lösen und das Steigen ist nicht allzu stark.

Ad Nubes: Kannst du uns noch ein paar Tipps geben zur Thermiksuche, wie wie findest du Thermik, wenn du unterwegs bist? Ich glaub da gibt es ja 1000 Tipps und jeder hat so seine eigenen Methoden.

Ben: Ich versuche, meine Intuition weniger zu zerdenken und stattdessen mehr auf meine Erfahrungen zu vertrauen. Bei der letzten Tour hat das wunderbar funktioniert: Wenn die Sonne scheint und der Wind günstig steht, bin ich einfach geflogen, und irgendwie hat es immer geklappt. Eine Faustregel, die ich mir gesetzt habe: Wenn ich sehr niedrig fliege und viel Wind habe, versuche ich nicht mehr, gegen den Wind zu kämpfen – es sei denn, es gibt keine andere sinnvolle Option und ich habe ein nahes Ziel vor mir. In den meisten Fällen suche ich dann lieber mit Rückenwind nach einer Aufwindquelle.

Ad Nubes: Logisch, man deckt ein sehr viel größeres Gebiet ab, wenn man mit dem Wind fliegt und hat dann die größere Chance, dass man nochmal Thermik findet.

Ben: Selbst wenn sich hinter einem ein guter Prallhang befindet, der nicht in der gewünschten Flugrichtung liegt, sollte man im Zweifelsfall bereit sein, ein Stück zurückzufliegen. Manchmal muss man in den sauren Apfel beißen, um einen Thermikeinstieg zu finden, der es ermöglicht, später wieder gegen den Talwind vorzurücken. Ich habe mich da sicherlich schon phasenweise zu sehr auf das Vorwärtskommen fixiert und wollte unbedingt weiter in die Richtung fliegen. Da dachte ich oft: ‚Da muss doch noch was kommen.‘ Im Nachhinein wäre es manchmal klüger gewesen, einfach umzudrehen, zum nächsten Prallhang oder Thermik-Hotspot zurückzufliegen und es dort noch einmal zu versuchen.

Ad Nubes: Kommen wir zum Landen, wie wählst du dir deinen Landeplatz aus? Ich stell mir das so bißchen problematisch vor, du mußt ja praktisch wissen, kann ich am nächsten Tag da starten, du weißt ja noch gar nicht die Windrichtung am nächsten Tag?

Ben: Ich orientiere mich nicht so sehr an der Windrichtung, wenn ich einen Landeplatz wähle. Stattdessen versuche ich, an einem Ort zu landen, der bereits in einer Südost- oder Südlage liegt oder von dem aus ich dorthin laufen kann. Wichtig ist mir, möglichst weit oben und abgelegen zu landen. Es ist erstaunlich, wie oft es mir gelungen ist, spät am Tag noch in ein Seitental zu fliegen und dort am Ende des Tals aufzusoaren, wenn der Wind perfekt hineinströmt. Ansonsten achte ich vor allem darauf, hoch zu landen und möglichst nicht auf West- oder Nordflanken oder entlang von Nordgebirgsketten, wo am nächsten Tag nur Nord-, West- oder Nordwestwinde vorherrschen.

Ad Nubes: Also du gehst davon aus, daß du am nächsten Tag Thermik hast und dadurch immer Richtung Süd oder Südwest Wind hast.

Ben: Wenn der Wind so stark ist, dass die Thermik nicht mehr dagegen ankommt, macht das Fliegen irgendwann keinen Sinn mehr. Deshalb versuche ich immer, Südost- oder Südhänge zu erreichen. Es kam allerdings schon vor, dass ich am Arlberg gelandet bin, weit im Hinterland, und dort nur Westhänge zur Verfügung hatte. Obwohl der nächste Tag gut gemeldet war, musste ich mich abends noch drei Stunden lang auf den Pass hochkämpfen, eine Stunde lang über massive Granitblöcke springen und Geröllfelder ohne Wege überqueren. Am nächsten Tag bin ich dann noch einmal etwa fünf Stunden mit Vollgas gelaufen, habe alle anderen Wanderer überholt, um zu einem guten Startplatz bei Galtür oder Ischgl im Tal zu gelangen. Am Ende hat sich die Anstrengung gelohnt, denn ich konnte schließlich abfliegen, auch wenn der Tag nicht ganz so gut war wie vorhergesagt.

Ad Nubes: Alleine fliegen, das ist das ist ja das Ding, was du eigentlich bevorzugst. Du brauchst nicht unbedingt jemanden, der mit dir fliegt?

Ben: Ich find es super nett, daß ich den Marcel kennengelernt habe und mit ihm ab und zu mal auf Biwaktour gehen kann. Aber ja, früher war es immer so ein allein Ding und ich würde mir wünschen, dass ein Paar mehr Menschen auftauchen würden, die so Bock haben auf solche Touren und entsprechende Skillset mitbringen, aber ansonsten bin ich auch ganz gerne Alleine unterwegs.

Ad Nubes: Machst du abends einen Debriefing? Also guckst du da an, was für Fehler hab ich denn heute wieder gemacht? Was hätte ich besser machen können? Machst du das abends schon am Berg?

Ben: Ja, das ist eine alte Tradition aus dem Highlinen, dass man sich dann da teilweise noch mal zusammensetzt am Abend und sogenanntes Safety Meeting abhält, mach ich dann einfach mit mir selbst, was ist jetzt gut gelaufen heute, wo habe ich vielleicht nicht so tolle Entscheidungen oder richtig beschissene Entscheidungen getroffen und einfach noch mal so den Tag Revue passieren lassen, Augen zu machen und ein bisschen Gedanken driften lassen.

Ad Nubes: Ja, das machst du nur Gedankenmäßig oder schreibst du das auf?

Ben: Nee, wäre vielleicht gar nicht so schlecht, das gelegentlich mal aufzuschreiben, aber ich mach es nur gedankenmäßig.

Ad Nubes: Wir haben in unseren bodenlos Forum, eigentlich einen tollen Thread, Lessons learned, das ist super Sache. Sowas mal aufzuschreiben und dann nochmal vielleicht später nochmal nachzulesen, das ist schon eine sinnvolle Sache. Würdest du mit deinen Erfahrungen wahrscheinlich ganze Bücher füllen können.

Ben: Ja, das ein oder andere Abenteuer war dabei in den letzten 10 Jahren.

Ad Nubes: Wie ist es denn, wenn man am Berg allein übernachtet? Es gibt ja durchaus Bären, Wölfe, was weiß ich. Irgendwelche Tiere für dich kein Problem, oder?

Ben: Nein, ich habe schon Biwaktouren im Bärengebiet gemacht und dort campiert, ohne mir große Sorgen zu machen. Als ich mit 18 in Ecuador unterwegs war, gab es dort nur Brillenbären. Da habe ich mir zugetraut, das Essen unter mein Kopfkissen zu legen, um es im Zweifelsfall gegen einen Bären zu verteidigen. Aber Brillenbären sind ja meistens Vegetarier. Wenn ich jetzt in einem Gebiet mit Bären unterwegs bin, denke ich, es ist wahrscheinlich besser, das Essen an den nächsten Baum zu hängen, anstatt es unter das Kopfkissen zu legen.

Ad Nubes: Was heißt im Bärenland?

Ben: In der Triglav-Region, im Nationalpark rund um den höchsten Berg Sloweniens, leben Bären wahrscheinlich nicht dauerhaft, aber sie streifen gelegentlich durch das Gebiet. Meistens bin ich jedoch in Gegenden unterwegs, in denen es sehr, sehr unwahrscheinlich ist, dass zufällig ein Bär oder Wolf auftaucht. Deshalb mache ich mir darüber keine großen Sorgen. Mehr Gedanken mache ich mir eher über missgünstige oder zornige Förster oder Jäger, aber bisher hatte ich keine Probleme. Ich versuche allerdings auch fast immer, über 2000 Meter Höhe zu schlafen.

Ad Nubes: Du merkst, die Thermik, die neigt sich dem Ende zu, du mußt vielleicht schon um 16:00 Uhr landen, oder du mußt am anderen Tag, sagen wir mal bis 11 oder 12:00 Uhr warten, das sind dann doch viele Stunden, die da am Berg verbringst, was machst du denn mit der Zeit?

Ben: Teilweiste Wetterbriefing, aber oft habe ich so schlecht geschlafen, dass ich froh bin, noch ein bisschen dösen zu können. Das ist auch einer der Hauptgründe, warum ich gerne ein Zelt dabei habe – es dient mir als Schutz vor Sonne und Wind. Es geht mir weniger darum, das Zelt als Regenschutz bei schlechtem Wetter zu nutzen, sondern vielmehr darum, nach einem langen Tag in der Luft mal aus Sonne und Wind herauszukommen. Besonders an exponierten Orten, wo es keinen natürlichen Schatten gibt, ist das sehr angenehm, während man auf die passenden Bedingungen wartet. Ansonsten vertreibe ich mir die Zeit manchmal damit, Steine auszubalancieren. Das bedeutet, Steine so auf eine Spitze oder Kante zu stellen, dass sie im Gleichgewicht bleiben.

Ad Nubes: Hast du nichts zum Lesen dabei?

Ben: Nee, meistens nicht. Aber ich hab teilweise Hörbücher offline dabei oder höre Musik oder sowas.

Ad Nubes: Zum Thema Unfälle und Risikomanagement, das Thema hatten wir jetzt schon angesprochen. Also so richtig schlimmes ist dir bisher nichts passsiert?.

Ben: Also ich hatte schon diverse kleine Verletzungen, wo ich mal ein paar Wochen oder Monate irgendwo ein bisschen leichte Schmerzen hatte oder ein bisschen gehumpelt bin. Meistens von irgendwelchen beschissenen Toplanden versuchen, auch mal die Schulter ausgekugelt an der Klippe in Spanien, aber toi, toi, toi, mal wieder an Holzklopfen, mir ist noch nie was ernsthaftes Schlimmes passiert.

Ad Nubes: Da stelle mir das auch nicht so ganz einfach vor. Wenn du oben auf dem Berg stehst und du brauchst hier nur eine kleine Verletzung haben und kannst nicht mehr starten, hast kein Mobilfunk. Und dann?

Ben: Ich habe deswegen meinen Spot dabei.

Ad Nubes: OK, kannst du da drüber einen Notruf absetzen? Kannst du denn noch was allgemeines zu deinem Risikomanagement sagen? Wir haben es ja immer wieder angerissen.

Ben: Ich scheine es irgendwie zu mögen, ab und zu an meine Grenzen zu gehen und vielleicht auch ein bisschen darüber hinaus. In den letzten 10 Jahren hatte ich auf jeden Fall die eine oder andere beängstigende Situation, habe dabei aber auch viel gelernt. Ich denke, insgesamt bin ich etwas ruhiger geworden. Die ersten Jahre waren jedoch definitiv von einigem Übertreiben geprägt.

Ad Nubes: Also du wirst schon sagen, du hast schon mehr Glück als Verstand gehabt.

Ben: Definitiv. Ja, voll. Bei allen Situationen haben mich auch meine Reflexe gerettet, also gute Reflexe und ein gutes Training, sonst wäre glaube in den meisten der Situation, wo ich ein Stück Glück gebraucht habe, schief ausgegangen. Ich will nicht abstreiten, dass ich trotzdem auch manchmal auf ein bisschen Glück angewiesen war. Ja, auch wenn ich gute Reflexe hatte, ist es manchmal nicht alles, das langt manchmal nicht.

Ad Nubes: Das Thema Lessons Learned hat noch hatten wir ja auch schon gehabt.

Ben: Leasson learnd, wenn wir das ganz kompakt zusammenfassen will, glaube ich große Streckenflüge bei viel Föhn nah am Alpenhauptkamm in Föhnschneisen war bis jetzt erstaunlich oft ein Rezept für richtig haarige Situationen. Insofern, genau das versuche ich mir eher zu verkneifen in den letzten Jahren.

Ad Nubes: Über die Gemeinschaft haben wir ja auch schon gesprochen. Du kennst das paar andere Biwak Piloten, wie der Marcel Dürr, wen hattest du noch genannt, denn Sebastian glaube ich?

Ben: Ja, den kenn ich leider nicht persönlich, aber ich finde, das ist von allem was man von ihm mitbekommen hat, ein sehr sympathischer Mensch, ist mit ausgesprochen hohen Skills oder außergewöhnlichen Skills. Und wenn ich mal mit jemandem fliegen wollen würde, mit richtig gute Piloten aus der Region, dann fällt er mir irgendwie auch mit als Erstes ein.

Ad Nubes: Gut, den Charles kennst du da noch. Überschaubar die Gemeinschaft.

Ben: Ja genau, der Niko Mantus ist ja mittlerweile mehr am Segeln. Der war früher Fluglehrer, auch bei der Flugschule Chiemsee und hat auch selber große Flüge gemacht. Genau, aber ansonsten bin ich jetzt nicht super Connected mit der Fliegerszene hier. Ja, da war ich früher in der Slackline Szene sehr viel mehr Connected.

Ad Nubes: Das ist halt ist schon sehr speziell. Also ich würde es auch mal machen, aber natürlich nicht so extrem wie du es machst, sondern mal 2 Tage oder so was, maximal 3 Tage und auch nur sehr moderat.

Ben: Ja, ist ja vollkommen egal wie groß der Flug ist, wieviel Kilometer das sind oder sowas. Solang es Spaß hat und sein persönliches Abenteuer erlebt hat und vielleicht ein bisschen an seine Grenzen gegangen ist und auch ein bisschen aus seiner Komfortzone mal rausgegangen ist, in der Natur war, eine gute Zeit in der Natur verbracht hat, dass jedes Biwakabenteuer oder jedes Flugabenteuer wunderbar ist, wertvoll und schön.

Ad Nubes: Gut, dann kommen wir schon auch zum letzten Themengebiet. Was machst du denn, das sollte schon die Fliegerei betreffen, außer Biwak fliegen? Du hast gesagt, du machst normales Streckenfliegen und in Anführungszeichen Wettbewerbsfliegen ist das was für dich?

Ben: Ich habe nie besonders großes Interesse daran gehabt, mich im Wettbewerb mit anderen zu messen – das liegt einfach nicht in meiner Natur. In den letzten Jahren habe ich jedoch darüber nachgedacht, eventuell an dem ein oder anderen Wettbewerb teilzunehmen, um mich als Pilot weiterzuentwickeln. Ich habe das Gefühl, dass noch deutlich Potenzial nach oben besteht, aber in den letzten Jahren habe ich mich nicht wirklich weiter verbessert. Ich fliege zwar gelegentlich um die 200 Kilometer, aber nie wirklich konstant darüber hinaus. Das hat verschiedene Gründe, die immer wieder unterschiedlich sind, aber doch nachvollziehbar. Deshalb denke ich, dass es sinnvoll wäre, um ein besserer Pilot zu werden, auch an einem Wettbewerb teilzunehmen, nicht unbedingt mit dem Ziel zu gewinnen, sondern vielmehr mit der Absicht, etwas zu lernen.

Ad Nubes: Ganz am Anfang haben wir ja schon über die Faszination vom Biwakfliegen geredet. Was fasziniert dich am Gleitschirmfliegen im Allgemeinen? Das Fliegen ist mit Risiko behaftet. Also muss es auch irgendwo eine Motivation geben oder eine Faszination, warum wir das überhaupt machen?

Ben: Das Magische am Gleitschirmfliegen liegt nicht in der Gleitzahl, die im Vergleich zu anderen Segelflugzeugen oder Drachenfliegern eher bescheiden ist. Vielmehr ist es die Tatsache, dass du dein Fluggerät in einem Rucksack verstauen und auf sehr kleinen Start- und Landewiesen starten und landen kannst. Für mich ist das Biwakfliegen deshalb das Nonplusultra, weil es die Möglichkeiten des Gleitschirmfliegens voll ausschöpft. Im Gegensatz zu einem Segelflugzeug, das nicht einfach mal auf einem Berg landen und am nächsten Tag weiterfliegen kann, oder zu einem Drachen, bei dem das schon vor etwa 50 Jahren von einem Franzosen bewiesen wurde, ermöglicht dir der Gleitschirm diese Flexibilität auf eine besonders praktische Weise. Ich habe großen Respekt vor Drachenfliegern, die Biwaktouren machen, aber Gleitschirme sind besonders gut für solche Abenteuer wie Biwakfliegen oder Hike-and-Fly-Rennen wie die Red Bull X-Alps geeignet. Diese Art des Fliegens zeigt das volle Potenzial des Sports und des Gleitschirms und macht die Magie des Biwakfliegens aus.

Ad Nubes: Mich ärgert es auch jedes Mal, wenn ich mir mühsam jeden Meter erkämpfe und dann fliegst du gerade aus und tust dann die 100 Meter gerade wieder abbauen, die du vorher in 10 Minuten Meter für Meter aufgebaut hast, ärgerlich.

Ben: Genau also für mich ist der Vorteil einfach, dass dieser Gleitschirm dich an ungewöhnliche Orte bringt und an Orte, wo du sonst, wo ich sonst nicht hinkommen würde ohne Auto. Und auch Leute, die in Segelflieger fliegen, könnten da nicht mal schnell landen und eine Pinkelpause einlegen oder sowas. Insofern das ist für mich so die wahre Magie und der wahre Vorteil von Gleitschirmen, dass da an allen möglichen Orten landen und starten kannst.

Ad Nubes: Vielen Dank für das Interview mit dir. Hat viel Spaß gemacht. Du warst ein sehr dankbarer Interviewpartner.

Ben: Freut mich, gern geschehen. War mein erstes Mal.

Hinweis: Das Gespräch wurde zur besseren Verständlichkeit gekürzt und mit und ohne Hilfe von ChatGPT geglättet.

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